Volltext: Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs und der angrenzenden Gebiete besonders in der ältesten und älteren Zeit

Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs 
dem damaligen Hauptorte am langgestreckten See (daher dessen Name lacus Brigantinus), und von da 
nach Augusta Vindelicorum; — dass durch das Engadin herab eine andere Strasse, welche, die von Teriolis 
herkommende Strasse aufnehmend, dem Inn entlang über das heutige Landeck weiter führte, geöffnet war, 
bezeugen im Unterengadin sowohl Spuren römischer Festungswerke und Fündlinge *) aus der Römerzeit, 
als sichtbare Wagengeleise im Felsenboden am Silsersee und auf dem Julier. 
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Grenzen und Römerstrassen der nordwestlichen Rhaetia 1., besonders durch das heutige Vorarlberg nach Chur, 
Wir heben zu unserem Zwecke hier dasjenige Segment der Rhaetia prima auf der Tabula Peu- 
fingeriana heraus, zu dem Vorarlberg gehört. Die westliche und nordwestliche Grenze der alten Rhaetia 1. 
zog sich in einer Linie vom Adula, dem Alpenstocke des St. Gotthard, zum Wallenstädter-See , von da 
durch das Toggenburgische an Pfyn (ad fines se. Rhaetiae) vorüber an den Rhein bei seinem Ausflusse 
aus dem Untersee ?) zu Eschenz *), von wo durch das Inselehen Werd eine Brücke auf das jenseitige 
Ufer gegen die Donau führte *). Von Eschenz *°) ostwärts schied der Bodensee, dann die Bregenzer-Aach 
und der Alpenzug zwischen dem heutigen Tirol und Baiern bis an den Inn an Salzburgs Grenzen die 
Rhaetia L. von Rhaetia II. oder Vindelicia. Daher sind Strabo’s Worte Lib. VIII, 1: „Lacum Rhaeti exigud 
ex parte, majori Helvetü ac Vindelici attingunt” wenigstens zu einer gewissen Zeit nicht richtig. 
Der Hauptschluss dieses Segments der Rhätia I. ist der Rhein, der nach Strabo in grosse Sümpfe 
und in den grossen See sich ergiesst °). 
Diese Sümpfe waren theils nördlich unterhalb Lindau um Wasserburg, theils südlich in den Nie- 
derungen der Rheinmündung im heutigen torfreichen Ried, und sollen sich weit gegen Götzis herauf ge- 
zogen haben. Der Name des Dorfes Hard (mittelhochdeutsch hart) deutet auf ehemalige Waldung hin, 
Sagt doch Ammianus Mareellinus Lib. XV, 4, dass der See durch den Schauer finsterer Wälder unzugäng- 
lich sei, ausser wo jene alte und besonnene Thatkraft der Römer (vetus et sobria virtus Romana) einen 
breiten Heerweg gebahnt hat. | 
Der Knotenpunet der Römerstrassen in Rhaetia IL oder Vindelieia war in Augusta Vindelicorum, 
die Tacit. German. 41, splendidissima Rhaetiae provinciae colonia nennt, wo auch die Via Claudia endete. 
Nun nehmen wir von Augsburg über. Campodunum unsern Weg nach Brigantium, als dem Haupt- und 
Stützpuncete ihrer Macht‘ am obern See. Bregenz war nach Strabo eine vindelicische Stadt’), unweit der 
Bregenz oder der Aach, welche, wie ich vorher andeutete, die Grenze zwischen Rhaetia I. und II. 
gemacht haben soll 5). Südlich von Bregenz theilte sich die Strasse, und zwar: 
1) Im-Unterengadin auf dem Hügel Caschinnas bei Süs, wo einst eine Burg gestanden, fand man zu Campells Zeit (+ 1581) alte Waffen, Geräth- 
schaften und römische Münzen. S. v. Tscharner. — Röder’s Graubünden, St. Gallen und Bern 1838, S. 98. 
?) Wahrscheinlich Lacus Acronius, der Obersee Lacus Venetus. Pompon. Mela 1II, 2; gewöhnlich Lacus Brigantinus, 
3) Zu Eschenz, oberhalb der Stadt Stein, hat man öfters römische Kaisermünzen gefunden und bei niedrigem Wasserstande des Sees noch 
Spuren einer angeblich römischen Brücke bemerkt. * 
*) Rhaetia ab oceasu terminatur Adulä monte et lineä, quae dueitur inter ecapita Rheni et Danubii fluvii, Ptolem ai Geograph. libr. II, cap. 11, 
\ Bei Eschenz stand das römische Castell Gaunodurum, von dessen Überbleibseln die Grundmauern vom nahen Burg im Cantone Schaffhau- 
sen sein sollen. 
Rhenus in magnas paludes et magnum lacum diffunditur, quem attingunt Rhaeti et Vindelici, partim in Alpibus, partim 
supra Alpes habitantes. Strabo. Amstelodami 1707, p. 293 (edit. Parisin. anni 1620, p. 192 fin). In dieser Stelle ist von den Helvetiern 
als Angrenzern des Bodensees keine Rede, 
Estiones Vindelicorum sunt et Brigantii; urbes (x öheıs) ipsorum Brigantium et Campodunum, Strabo p. 206. Estionibus me- 
Liis inter Brigantios et Licatios sedeis tribuo in vallibus Mari amnis. Cluverii Vindelicia et Norieum. pag. 12. Die Namensähnlichkeit 
rerführte Mehrere, diese Estionen aus der Gegend von Kempten um das Flüsschen Eschach auf den Eschner berg im Liechten- 
steinischen zu setzen, der seinen Namen vom Bache Eschen hat. 
Terminus hac parte Vindelicos Rhaetosque inter fuit am nis Bregenz, Phil, Cluv erii Vindelieia et Norieum, Lugdun, Batav. 1616, 
p. 12. Auch Spruner scheidet Rhaetia I. von Rhaetia IL, durch einen Farbenstreif, der vom Bodensee über der Aachmündung längs des Gebirges 
über Füssen hin sich nach dem Inn gegen Kufstein zieht. — Snäter zog sich das rhätische Volkselement vor dem nachrückenden alemannischen 
immer mehr in die südlichen Bergthäler zurück:
	        

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