und der angrenzenden Gebiete, besonders in der ältesten und älteren Zeit.
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scheinlich finden, dass Tiberius seinem Bruder rheinaufwärts entgegenrückte und man wird die Haupt-
schlacht, die er den Rhätiern lieferte, nicht ohne Grund in der militärisch so wichtigen Position von
Feldkirch suchen. Ich gebe gerne zu, dass im Druserthale oder bei Feldkirch ein Sieg über die Rhätier
erfochten wurde; die Entscheidungsschlacht gegen die Vindelicier aber ward gewiss jenseits des
Bodensees geliefert. Kurz, die Rhätier und Vindelicier, unter sich vielfach getrennt und getheilt, wie auch
in vielen einzelnen Gefechten und Streifzügen unschwer (0 yaher6< nach Dio Cassius LIV, 22) besiegt,
erlagen trotz des ihnen so günstigen Terrains der Riesenkraft Roms und dem einen, ungetheilten Willen
des allgewaltigen Augustus in einem einzigen Sommer (depix 4.4 nach Strabo S. 206) und wie Vellejus
Paterculus sagt, mit mehr Gefahr als Verlust für das römische Heer *), — somit ward in diesen Alpen von
der Gesammtbevölkerung nicht die hartnäckigste, verzweifelndste Gegenwehr geleistet.
Die Römer begünstigte Einheit des Planes, treffliche Führung, strenge Kriegszucht; sie waren nach
ihrer hergebrachten Weise gewiss auch auf diesem beschwerlichen Zuge mit allem Nöthigen versehen. Die
Rhätier dagegen, wenn auch voll kriegerischen Muthes und persönlicher Tapferkeit, folgten ihren Häuptlin-
gen, die sich besser auf Überfälle und schnelles Plündern als auf umsichtiges Kriegführen verstanden, kaum
mit soldatischem Gehorsam. Jede Thalschaft, durchhohe Gebirge von der andern getrennt, wehrte sich sicher-
lich auf’s Tapferste gegen den ihr zunächst geltenden Angriff und ward einzeln überwältigt. Mangel an
Lebensmitteln in ihrem armen, abgeschlossenen Berglande , Erschöpfung in längerem Kampfe gegen die
concentrirte römische Riesenmacht und der nahende Winter zwangen alle zu baldiger Übergabe.
B. Uebergänge und neuere Kriegs- und Streifzüge (1622 u. 1799) über den Rhäticon.
1. Führt von Grüsch im Prätigau an dem schöngelegenen Seewis und dem Ganeyer Bad vorüber
ein Pfad über das Joch am Lünersee hin in’s Brandner-Thal nach Bürs und Bludenz.
2. Von Schiers durch’s Druser-Thal*), das der wilde Schrawbach durechtobt, nach Schuders.
Dieses Thal spaltet sich aufwärts in drei waldige "Tobelthäler. Man gelangt: a) östlich hin zur Druser-
Alpe und zum Bergpass Drusus-Thor (6693 Wiener Fuss über dem Meere), und von da hinüber in’s
Montavon’sche Gauer- Thal nach Tschagguns und Schruns; b) gerade vorwärts durch. das Schweizer-
Thor (6976 Fuss hoch) in’s Montavon’sche Rells-Thal gen Vandans an der Ill; c) links hinauf über den
Gafall (Cavallo)-Pass zum Lünersee und am tobenden Alvierbach in’s Brandner-Thal und gen Bludenz.
3. Von Luzein steigt man in’s hochgelegene Alpenthal St. Antonien, und von da entweder: a)
rechtshin über das St. Antoni-Joch nach Gargella und St. Gallenkirch, oder b) hinauf über die Alpe
Patnün am Schwarzhorn vorüber in’s Gampadelz-Tobel ete.
4. Von Klosters nach Slapin (Silva pina), und von da entweder über das gleichnamige Joch
(6783 Wiener Fuss hoch) über die Alpe Valcalda nach Gargella und St. Gallenkirch, oder durch das
Kübliser-Thal in’s Montavon’sche Garnera-Thal und nach Gaschurn *).
Dass über diese hohen Alpenjoche Truppenzüge möglich, ja wirklich geführt worden sind, lehrt uns die
Geschichte des Prätigauer Aufstandes 1622 traurigen Angedenkens, lehrt uns der Frühling des Jahres 1799.
(1622.) Es sei mir erlaubt zur Aufhellung der vaterländischen Geschichte etwas in diese Kriegs- und
Streifzüge über den Rhäticon einzugehen, zumal ich die Aufzeichnung eines dortigen Zeitgenossen, des
Herrn Johann Fiel (Vieli?), der im Jahre 1631 der erste Pfarrer zu Gaschurn, dann in St. Gallenkirch
im Montavon gewesen, über die feindlichen Einfälle im Jahre 1622 benützen konnte.
‘ Rudolf Freiherr von Salis führte, nachdem das Prätigau durch einen Sieg der Verzweifelnden von
den feindlichen. d. i. österreichischen Truppen befreit war. und sämmtliche Bünde des Freistaates zu Chur
1) — uterque (Tiberius et Drusus) divisis partibus Rhaetos Vindelicosque adgressi, multis urbium (!) et castellorum oppugnationibus,
nee non direetä quoque acie felieiter funeti, gentes loeis tutissimas, aditu diffieillimas, numero frequentes (?), feritate truces, majore
cum periculo quam damno Romani exereitus, plurimo cum earum sanguine, perdomuerunt. Vellej. Patercul. Il, 95.
ı Der Canton Graubünden, von G. W. Röder und Peter Conradin v. Tscharner. St. Gallen und Bern 1838, S. 147 und 171,
\ Man vergleiche die Karten von Heinrich Keller, Dr. Wörl Seect. IX: dann von Blasius Hueber vom J. 1783 und dem k. k. General-
Quartiermeister-Stahe.