Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
fesselte. Die dermalige, akustisch gebaute Kirche ist.schon die dritte, die im Jahre 1732 vollendet wurde.
Nur das mit Laubwerk verzierte Portal in die Sakristei ist ein Überbleibsel hohen Alters. Auch der acht-
eckige Taufstein hat eine schöne und proportionirte Form, ist aber aus jüngerer Zeit. In der Sakristei
wurde ehemals die Landeslade verwahrt. Hieher zahlt noch die gleichfalls sehr alte , nun zum Silberthale
gehörige St. Agathakirche auf Christberg , wo bekanntlich einst ergiebiger Bergbau getrieben wurde,
eine jährliche Recognition als Zeichen ihrer ehemaligen Abhängigkeit.
Diese Sakristei verwahrt ein bisher unbekanntes, sehr altes Crucifix, wohl das älteste in ganz Vor-
arlberg. Die im Anhange beigebundene Chromolithographie dieses ehrwürdigen Denkmals ist nach einer
Copie, die Herr Joseph Bucher, ein junger Maler aus Feldkirch, nach dem Originale anfertigte, in der
hiesigen k. k. Hof- und Staatsdruckerei gemacht *). Die hier folgende Beschreibung ist vom Herrn
Dr. Eduard Baron von Sacken, Beamten am k. k. Münz- und Antiken-Cabinete, einem sich mit der
Geschichte der christlichen Kunst im Mittelalter viel beschäftigenden jungen Manne, der zugleich selbst-
thätig trefflich malt und zeichnet.
Dieses Crueifix ist aus Bronceblech getrieben und vergoldet, leider aber mit groben und rostigen
Nägeln auf ein Kreuz von Tannenholz geheftet. Das Ganze ist etwa zwei Fuss hoch und mit grösseren
und kleineren Glaspasten in einfachen Fassungen besetzt. Statt der ausgefallenen Pasten setzte eine spätere
Hand in deren Form geschnitztes und in wechselnden Farben bemaltes Holz ein, doch sehen wir mehrere
Fassungen von ihrem Inhalte entblösst, leer. Sehr merkwürdig ist die Darstellungsweise.
Christus erscheint hier unbärtig , wie auf den ältesten christlichen Monumenten (z. B. den Sarko-
phagen in den Katacomben Roms aus dem IV. und V. Jahrhunderte) gewöhnlich, seit dem eilften Jahrhun-
derte höchst selten, mit langen, glatt herabfallenden Haaren, auf dem Haupte eine Königskrone. Letztere
sieht man an den meisten Bildern des gekreuzigten Heilands bis zum XV. Jahrhundert, wo er erst mit der
Dornenkrone dargestellt wurde, wie man überhaupt im früheren Mittelalter bei allen Vorstellungen Christi
mehr seine königliche Würde hervorhob, während er später ausschliesslicher alsıleidender Erlöser aufgefasst
wurde. Er ist bloss mit einer von den Hüften bis an die Kniee reichenden Schürze bekleidet; diese besteht
aus blauer Email mit regelmässigen, parallel laufenden Falten; der obere Querstreifen, und der in der Mitte
herablaufende Längenstreifen (die Figur eines Palliums bildend) sind mit grünem Schmelzwerk verziert.
— In der frühern Zeit bis zum XI. Jahrhunderte wurde der Gekreuzigte stets bekleidet dargestellt, vom
XIl. bis XIV. Jahrhundert mit einer Schürze, erst seit dem Anfange des XV. Jahrhunderts bloss mit einem
Tuche um die Lenden. Die Zeichnung des Körpers ist ziemlich unvollkommen,, doch sind die Hauptver-
hältnisse gut; die Details: Brust, Rippen ete. nicht durch Modellirung , sondern, bloss durch eingegrabene
Linien charakterisirt; der Ausdruck des Hauptes ist gemäss der oben angedeuteten Auffassungsweise mehr
ruhig und ergeben, als schmerzhaft und leidend. Die Schienbeine sind, wie dies eine Eigenheit aller Ent-
wickelungsepochen der Kunst ist, sehr scharf angegeben; die Füsse neben einander auf ein Brettchen
gestellt und mit zwei Nägeln befestigt nach derälteren, besonders byzantinischen Darstellungsweise, im
Gegensatze zu der des spätern Mittelalters, wo sie über einander gelegt und mit Einem Nagel ans Kreuz
geheftet erscheinen, — Zu beiden Seiten des Gekreuzigten, an jedem Ende des Querbalkens sieht man
eine jugendliche Halbfigur in faltenreichem Mantel, einen Nimbus um den traurig gesenkten Kopf, —
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Namen des romanischen Dorfes Montavon bei Boncourt im Bernischen Delsberg. Bei Cles auf dem Nonsberg in Südtirol kennen wir das Dorf
Tavon und den Weiler Doss Tavon nach dem Provinzial-Handbuch von Tirol und Vorarlberg. Innsbruck 1847, S. 349, auch heisst nach S. 68
und 269 der k. k, Kreisarzt zu Trient. Dr. Alois Montavon. Die Ableitung von mont und davont (vorne), ist meines Erachtens nicht richtig,
Aa dieses Thal vom innern Walgau längs der Ill herauf beweidet, bebaut und bevölkert wurde, und bis in die neueste Zeit stets mit Bludenz, und
niemals mit dem über der Kette des Rhaeticon gelegenen Prätigau, inherrschaftlichem, gerichtlichem und pfarrlichen Zusammenhange war. Noch
nennt der Heimische sein Thal mit dem romanischen Nasal „Montavö oder Muntavü, Ich glaube hiemit meine Schreibweise begründet zu
haben.
Ein Abdruck dieses Crucifixes von St. Bartholomäberg figurirte unter den Musterstücken der k, k. Hof- und Staatsdruckerei bei der
vorjährigen Industrie-Ausstellung in London.