160 Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
der königlichen Majestät vorzunehmen , sondern bei altem Gebrauch und alten Rechten bleiben zu lassen
— ist entschieden: dass es billig bei solchem Erbieten bleiben soll.
Zum zwölften wurde dem Könige durch seine Gewaltträger gegen die Unterthanen zu Räzüns,
Bonaduz, Ems und Feldsperg in der Herrschaft Räzüns geklagt, dass von diesen durch die
neuen von den Bünden vorgenommenen Ordnungen und Artikel Ihre Majestät, und an derselben Statt
die Gebrüder Jacob und Hanns von Marmels, welche die genannte Herrschaft pfandweise (jedoch auf
ewige Lösung) inhaben, in nachfolgender Weise gewaltiglich entsetzt und entwehrt') werden, nämlich :
1) wiewohl sich von Recht gebühre und sehon von Alter her gebraucht und gehalten worden sei, dass die
Unterthanen den Zehnten in Wein und Korn vollkommen ohne Abbruch haben geben und reichen
sollen, und auch bis auf diese Neuerung gegeben und gereicht haben — so haben sie doch in Kraft
angezeigter Ordnung den Zehnten nicht wie von Alter her auf dem Felde liegen lassen , sondern auch nicht
vollkommen und allein von dem fünfzehnten eines gereicht und gegeben, woraus auch der königlichen
Majestät weitere Beschwerde folge, dass der Nusspäumer (dem ein Zehent auf Lösung von der Herrschaft
verkauft sei) wegen solches Abganges von der Herrschaft Gewährschaft begehre. 2). Wiewohl die Unter-
thanen schuldig gewesen und noch sind, den Todfall, d. i. das Besthaupt Vieh zu geben , und sie hierin
jeder Zeit gar gnädiglich gehalten worden sind, so haben sie doch eigengewaltig eine Taxe von nicht
mehr als einem Pfund Pfenning für einen Todfall zu geben gesetzt. 3) Wiewohl sie der Herrschaft jähr-
lich schuldig gewesen und noch sind etliche Dienste, Ehrtagwan”) genannt, zu thun, und diese auch
von Alter her bis auf diese Ordnung gethan haben, so haben sie doch einen solchen Ehrtagwan abge-
brochen. 4) Wiewohl aller Wildbann und alle Fischweid ohne Mittel (unmittelbar) der Herrschaft
Räzüns je und je zugestanden und noch zuständig sind, so haben sich doch die Unterthanen derselben
seit diesen Neuerungen in vielweg auch unterfangen. 5) So gehöre der Kirchensatz zu Übersaxen
der königlichen Majestät wegen der Herrschaft Räzüns zu. Als aber Georg Marmbesel, der von Rudolf von
Marmbels (Marmels) als Inhaber von Übersaxen zum Pfarrer gesetzt war, geweibt, haben die Unterthanen
selber einen Pfarrer gesetzt, was ihnen nicht zugehöre; dergleichen Abgänge (Missbräuche , Übergriffe ?)
begegnen auch zu St. Georgenberg. 6) a) auf die Klage der Räzünser , dass der Pfarrer zu Räzüns,
dessen Lehenschaft dem Bischof zu Chur zusteht, einen vierten, somit allzugrossen "Theil am Zehnten
erhalte; 4) auf die‘ Gegenanzeige, dass der Pfarrer durch die Herrschaft und die Unterthanen an dem
Orte, wo er den grossen Zehent allein habe, einen Abbruch an demselben erlitten habe, und ihm sonst
allenthalben der kleine Zehent sammt den geistlichen Jahrtagen und andern pfarrlichen Rechten ganz
entzogen worden sei, mit dem Beisatze, dass er unklaghaft sei, d. h. von der Klage abstehe , wenn ihm
Alles wie von Alter her geleistet werde; ferner c) auf die Bitte der Unterthanen und ihretwegen auch der
Bünde um Gnade, Milderung und Nachlass in obbenannten Artikeln, und endlich d) darauf, dass die von
Marmels bei ihren Pflichten schuldig seien, die Pfandschaft der Herrschaft Räzüns zu handhaben und bis
zur Lösung unverändert zu behalten — haben die Räthe und Verwandte in dem7allen erkannt: dass die
königliche Majestät aller obgeschriebenen Artikel , nämlich des Wein- und Kornzehnten , der T’odfälle, Robo-
ten und Ehrtagwan , auch des Wildbannes und der Fischweide*), unangesehen der neuen Ordnungen der Bünde,
wieder restituirt, zu Nutz und Gewähr gesetzt werden soll und die Unterthanen schuldig seien, all
das der Obrigkeit zu reichen, wie von Alter Herkommen ist; mit Hannsen von Marmels in seinem Namen
und anstatt seines Bruders haben sie in Güte soviel erhandelt , dass er den Unterthanen zu besondern Gnaden
bewilliete. bis auf der königlichen Majestät Willen und Wohlgefallen hinfüro , so lange die Pfandschaft
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') Entwehren einen eines Dinges — ihn ausser Besitz desselben setzen, exuere, devestire.
‘) Tagwan, der, (von {ae und winnen?), die Arbeit eines Tagschalkes (Taglöhnars) für einen Tag, das Leisten von Handarbeiten an gewissen
Tagen, Handfrön,
) Fischweide, ein in stehenden Wassern zugerichteter Ort, wohin die Fische ihre Zuflucht nehmen, und wo sie in Menge gefangen werden
können; 2) im Oberdeutschen auch ein Fischwasser, Fischerei.