150 Joseph Bergmann. Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
Als Graf Friedrich VI. von Toggenburg, Urenkel Donat’s v. Vatz und der Letzte seines alten Hauses,
der auch einen grossen Theil Vorarlbergs als Pfandschaft inne hatte, am 30. April 1436, zu Feldkirch
gestorben war, erhob sich über dessen fürstliche Hinterlassenschaft'), ein weit aussehender Zwiespalt. Bei
dieser Gelegenheit traten die von Davos, Klosters, Castels , Schiers und Seewis, auch die Leute der
Chorherren zu Schiers, die von Malans, Maienfeld, Bellfort, Churwalden , St. Peter im vordern — und zu
der Langenwies im innern Schanfik, eilf?), theils freie, theils im Unterthanenverhältnisse stehende
Gerichte zu Davos zusammen, und schlossen am 8. Juni 1436, unter sich und für sich allein, ganz
ohne Theilnahme von Herrschaften einen ewigen Bund zu gegenseitigem Schutz und Schirm ihrer
bestehenden Rechte, um nicht unter verschiedene Erben vertheilt und vereinzelt, willkürlicher Behandlung
Preis gegeben zu werden. Rechtmässigen Erben sollen die Rechte ihres Eigenthums bleiben.
Da sich inzwischen bei Kaiser Sigmund kein Erbe um die Toggenburgischen Reichs lehen gemel-
det hatte, verlieh derselbe ddo. Prag am 2%. August 1437 seinem Kanzler Caspar von Schlick all
das, womit Graf Friedrich von Toggenburg im Prätigau, auf Davos, Bellfort und anderswo vom Reiche
belehnt gewesen war. Die betreffende Urkunde, nach der Johann von Müller, fragt, ist seitdem im
Schweizerischen Geschichtsforscher I, 309, dann in Johann Ulrich’s von Salis-Seewis hinterlassenen
Schriften. Abtheil. IL, 69, lit. H, gedruckt.
Ungeachtet dieser Belehnung theilten ddo. Feldkirch am 1%. November 1437, die Erben?) sich in
des Grafen rhätische Besitzungen. Nachdem der römische König Albrecht II. den Grafen*) von Sehliek
zur Verzichtung auf seine, durch die Gunst des K. Sigmund erlangten diesfälligen Ansprüche bewogen
hatte, belehnte derselbe den Grafen Wilhelm von Montfort- Tettnang und sämmliche in der
folgenden Urkunde vom 2%, Juni 1439, genannte Miterben’auf ihre Bitte, mit den Graf- und Herr-
sehaften Toggenburg, Prätigau, Davos. Bellfort und Utznang, d. i. Uznach.
Diese Urkunde lautet:
Ofen am 29. Juni 1439.
Wir Albrecht ete. Bekennen ete. Als vormals vnser lieber Herre vnd vatter keyser Sigmund loblicher
yedechtniss dem Edeln Casparn Sligk vnserm Canezler , Hern zu der Weissenkirchen, die Graffschafte
war, wurde nach dem Tode des frommen Ritters Ulrich von Aspermont (; 13. März 1333, nach dem Necrolog. Cur.) am 5. September
134% unter die drei Häuser Werdenberg-Sargans, Mätsch und Toggenburg vertheilt. Des ersten Antheil kauften die Grafen von Toggenburg
am 17. März 1348, an sich. Vgl. Joh, Ulrich’s von Salis-Seewis hinterlassene Schriften. Chur 183%, I, 39 und II, 59,
Diese Hinterlassenschaft bestand: a) aus den alttoggenburgischen Besitzungen in. der Schweiz b) aus den so eben genannten Landschaften
aus dem v. Vatzischen Erbe; c) aus den grossen Pfandschaften in Vorarlberg, nämlich aus Feldkirch, Rankweil, Alt- und Neumontfort,
Jagdberg, Ramschwag bei Nenzing, dem Gerichte und den Walsern auf Damüls, dem inneren Bregenzerwalde, dem. Gerichte Torenbüren,
Fussach, Höchst, die nun Herzog Friedrich von Österreich leicht um 22,000 fl. einlösete.
Die Zahl der XI. Gerichte gehört in diese frühere Zeit. Die Zahl X., die dem ganzen Bunde den heutigen Namen des Zehengerichten-
Bundes (foedus decem Jurisdietionum) gegeben, umfasst die genannten Gerichte mit Weglassung des Chorherrengerichtes zu
Schiers. Es waren nämlich im Bereiche von Schiers zweierlei Gerichtsleute und Gerichtsbehörden unter "and_neben einander, nämlich :
a) das Matschische Hauptgericht und b) das dem Domstift zu Chur gehörige Chorherrengericht, das sich 1506 völlig loskaufte
und mit jenem in ein Gericht verschmolz. — Die Zahl VI, enthält die Gerichte: Davos, Klosters im Prätigau, Bellfort (Lenz), Churwalden,
Schanfik und Langwies: die Zahl VIII, die letztgenannten VI,mit den zwei Matschischen Gerichten zu Castels und Schiers. Der
Zehengerichten-Bund hat nur sieben Hochgerichte, die alle, Bellfort ausgenommen, deutsch und reformirt sind. Die sieben Hochgerichte
sind: 1) Davos; dann in-Prätigau 2) Klosters mit Saas mit zwei Gerichten; 3) Castels mit den zwei Gerichten Luzein und Jenäz;
%) Schiers und Seewis, jedes mit einem Gerichte; ferner 5) Maienfeld mit Malans; 6) Schanfik mit den zwei kleinen Gerichten :
a) im vordern Schanfik zu St. Peter und b) zu Langwies im hintern Thaltheile; 7) Bellfort und Churwalden mit 3 Gerichten. Graubünden
ist, wie es in der Augsburger allgemeinen Zeitung vom 16. Februar 1851. Beilage zu Nr. 41, S. 653, treffend heisst, nach dem Einschach-
telungsprineipe constituirt. Die souveraine Dorfgemeinde steckt im souverainen Gericht, das souveraine Gericht im souverainen Bund.
der souveraine Bund im souverainen Kanton und der souveraine Kanton endlich in der souverainen Eidgenossenschaft eic.
Über diese näheren und entfernteren Erben, s. S, 151 Anm., welche Angaben in meinen „Untersuchungen, über die freien Walser etc.” Wiener
Jahrb. der Literatur, Bd. CV, Anzeigebl, S. 6, in der kritischen Anmerkung enthalten sind und auf Urkunden beruhen; ferner von Salis-
Seewis I, 73; v. Vanotti’s Geschichte der Grafen von Montfort und Werdenberg, 1845, S. 119 f, 323 folg. und 501 die Urkunden
Nr. 215—219, en
) Ritter Caspar v. Schlick wurde vom K. Sigmund kurz vor des Letztern Tode (} 9. December), ddo. Prag am 30. October 1437, in den
Grafenstand erhoben. Vgl. Lichnowsky’s Geschichte des Hauses Habsburg, Bd. VL Regesten Nr, 360, Chmel, Regesten Nr. 946.