und der angrenzenden Gebiete, besonders in der ältesten und älteren Zeit.
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Die innerste Gemeinde des Prätigaues ist Klosters, die ihren Namen vom ehemaligen dortigen
Kloster zu St. Jakob erhalten hat. Dasselbe gehörte ursprünglich den Benedietinern , ward im J. 1126
den Prämonstratensern überlassen und im J. 1528 aufgehoben.
Von Klosters wandte ich mich südwestlich nach der hohen Stütz hin, über welche ich in die Berg-
landschaft Davos eintrat. Dieses Alpenthal und seine Bewohner selbst zu sehen und sie sprechen zu hören,
war der Hauptzweck meiner Reise, indem die Davoser angeblich die ersten Colonisten aus Ober-
wallis in Churrhätien sind und mit ihrem Mutterlande noch einige Ähnlichkeit , besonders in ihrer Mund-
art, wenn auch nicht mehr in dem Grade wie die vorarlbergischen Walliser oder Walser auf Damüls,
zum Sonntag und im Buchboden und jenseits der Wasserscheide, im Quellengebiete der Iller, im Mittel-
bergischen , bis auf den heutigen Tag fort erhalten haben.
Die Davoser gelangten bald durch ihre‘ Tapferkeit sowohl daheim als auswärts zu einem schönen
Namen, sie hatten treffliche Staatsmänner (Landammänner), Hauptleute, Gelehrte wie Johann Guler
(+ 1637), und Fortunat Sprecher von Bernegg (+ 1647), und adelige Geschlechter wie: Ardüser, Beeli,
Buol, Guler, Schuler, Sprecher, Valär ete., aus denen mehrere unter den Vordermännern der Graubünden’schen
Geschichte glänzen, weil sie bald am Gemeinwesen thätigen Antheil nahmen und sich im bewegten Leben
praktisch ausbildeten. Anders die Walser in Vorarlberg, die viel Mutterwitz (Walser Reden) , schnelle
Fassungskraft , kalt berechnenden Verstand, aufgeweckten Sinn und unglaubliche Schlauheit besitzen,
aber nicht die Gelegenheit hatten, ihre Fähigkeit und Thatkraft zu entwickeln und zu zeigen. Diese lebten
anfänglich unter mehreren Herrschaften getheilt. Ihre bedeutendsten Männer waren: «) Georg Joachimus,
aus dem Walser-Geschlechte der Jochum, 151%, angeblich zu Feldkirch geboren , einer der ausgezeich-
netsten Schüler des Copernicus, der seines Meisters und eigene Werke mathematischen und astronomi-
schen Inhaltes herausgab; dann an der Hochschule zu Wien Mathematik ete. lehrte und am 4. December 1576
zu Kaschau starb. 6) Martin Lorenz, 1748 zu Plons geboren, k. k. Staats- und Conferenzrath in geist-
lichen Angelegenheiten durch 27 Jahre, ein schlichter Mann voll Charakter, Geist und Vaterlandsliebe,
starb am 24, April 1828 zu Wien. — Was ich in meinen kritischen Untersuchungen über die Herkunft
sämmilicher Walser sowohl in den beiden vorarlbergischen Walserthälern als auch in Davos über der
Davoser physischen und moralischen Charakter, ihre Beschäftigung und Nahrungszweige, Wohnungen,
Kleidertracht, Geschlechtsnamen und Mundart in den Wiener Jahrbüchern‘) niederlegte, beruht in
Bezug auf die Davoser hauptsächlich auf brieflichen Mittheilungen eines gebornen Davosers, des
Herrn Christian Bühler, damaligen Pfarrers im Dörfli zu Davos, der jetzt der Kirche zu Haldenstein
bei Chur vorsteht. Ich wollte mich nun selbst an Ort und Stelle von diesen Angaben überzeugen.
Sie sind Angaben eines verständigen. schlichten und wahrheitliebenden Ehrenmannes. der seine Heimat
genau kennt. ,
Von der hohen Stütz (3580) , um nun selbst nach Davos zu kommen, gelangte ich zu den beiden
Weilern, die von den dortigen Lärchenbäumen Unter- und Oberlaret heissen, von wo der schwarze
See, der kaum eine Viertelstunde im Umfange hat, gen Klosters der Lanquart zu fliesst.
Zu St. Wolfgang bei Oberlaret, steht an der Strasse eine arme, aus Arbenholz gestrickte Taferne
mit dem. Spruche über der Thür: „Gerechtigkeit macht Freiheit! Freiheit macht Liebe’’*). Ich fand im
längeren Gespräche mit der geschäftigen Wirthin, und ihren zwei Kindern unverkennbar den Walser
Dialekt, dasselbe echt walserische „schi’” st. sie und sich. z. B. schi hen schi g’stocha.” sie haben sich
gestochen , wie bei den Vorarlberger Walsern.
Von Oberlaret übersieht man weithin das offene, sonnige Hauptthal Davos, ein triftenreiches Gefild,
das sich gegen Südwesten mit den zerstreuten Höfen. Ställen und Bargen °) hinzieht. Aus dem grösseren
1) In dem Anzeigeblatte und Bd, CV—CVIII, 1844,
?) So liest man an der neuen Brücke bei Schiersch im Prätigau: „Höhen und Tiefen ebnet die Zeit, aber sie bleibet, versteh’ sie und schaffe.”
5) Barge, d. i. gleichsam eine Berge, ein Behältniss für Heu, von bergen; dasselbe Wort hört man auch im Montavon.
Denkschriften der philos.-histor. Cl. IV. Bd.
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