Der vordere Bregenzerwald.
Eine Aussichtswarte, wie das St. Gebhardskirchlein, blickt das
doppelt getürmte Pilgergotteshaus Maria-Bildstein über den Rhein
ins Schweizergebirge. Es sagt uns von selbst, dass es auch ein über-
aus dankbares Ziel für Menschenkinder ist, die keine Pilger sind.
Der Fussweg von Schwarzach führt an Stationenbildern vorbei, in
einem halben Stündchen nach dem Bad Ingrüne am Waldrand, einer
Eisenquelle, die von Rheumatikern und. Nervenleidenden aufgesucht
wird. Eine Viertelstunde noch durch Wald, da erhebt sich die
Wallfahrtskirche bei einem weithin zerstreuten Dörfchen auf einer
Terrasse des Steussberges. Wie der Name andeutet, war zuerst nur
ein Bild. auf einem Stein der Gegenstand frommer Verehrung. Als
aber zu Anfang des 17. Jahrhunderts, wie die Erzählung geht, die
Muttergottes im Mebel eines Herbstmorgens zwei Knaben erschien,
wurde eine Kapelle gebaut. Sie erweiterte sich bald zu einem
schönen Gotteshaus, zu dem gewaltige Pilgerscharen, im letzten
Viertel des 17. Jahrhunderts gegen vierzigtausend Menschen im
Jahr wallfahrteten. Von der Menge der Votivtafeln, die sie an
die Wände hefteten, sind viele wieder verschwunden, andere er-
zählen noch heute von‘ Leid und Drangsal des Lebens, die lange
Zeit daher.
Die Kirche, die vor einem Vierteljahrhundert stark erneuert
wurde, enthält mancherlei Kunstwerk: prachtvoll in Holz geschnitzte
Türen und Beichtstühle, herrliches Täfelwerk an der Decke des Lang-
schiffes, den silbergetriebenen‘ Stammbaum Christi an der Türe des
Tabernakels, viele wertvolle Schätze aus der Gründungszeit der Kirche
aber gingen bei der Renovation verloren. Das gnadenreiche Mutter-
gottesbild, das aus dem 15. Jahrhundert stammt, zeigt Maria in
sitzender Stellung, den Jesusknaben auf dem Arm.
Die Aussicht vor dem Gotteshaus ist wundersam. Sechzig oder
siebzig Dörfer liegen im Gesichtskreis, selbst die Türme von Kon-
stanz ‘ -üssen licht über den Bodensee, vor den Schweizerbergen
glänzt der Silberzug des Rheins, und sonnig leuchten die Gipfel von
Land zu Land. Doch nun in den Bregenzerwald.
Die neuere, aussichtsreichere Strasse führt von Dornbirn in
den Wald.
Alberschwende, auf lieblicher Höhe, entbietet uns den ersten
Gruss des ursprünglichen Wälder Volkslebens. Das Frauengeschlecht
trägt das für die Bevölkerung des Waldes charakteristische „Häss“,
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