Um die Scesaplana her.
etwas Kartoffel- und Roggenfeld unterbrochen werden, weidet
das Vieh, gesänftigt zieht der Alvierbach durch den grünen Grund,
die Alpenblumen, Enzianen und Soldanellen, Silenen und Arnica,
auch der liebliche Frauenschuh entfalten ihre farbenreiche Pracht,
die Klänge vom Turm des Dorfkirchleins ziehen durch das tiefe
Schweigen. in Zirkusform türmen sich die Berge. Hochgebirgs-
stimmung ist rines um uns!
Von Brand steigt ein vierstündiger Weg über die Zalimalpe
zum }"enzineer Himmel, ein anderer, der die gleiche Zeit erfordert,
zu der im Sommer 1905 eingeweihten Unterkunftshütte der Sektion
Strassburg des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins am
Nordrande des Brandner Ferners, 2700 Meter. Die Hütte, zu der
vom Nenzinger Himmel der Straussweg emporklimmt, gestattet die
Besteigung der Scesaplana in einer Rundtour mit Abstieg über die
Douglashütte. Ihre Aussicht ist von packender Pracht, sie um-
fasst die Algäuer- und Bregenzerwaldberge, den Säntis und den
Bodensee bis in-den Hegau. In einer Stunde erreicht man von der
Hütte über den ungefährlichen Gletscher die Spitze der Scesaplana.
Unser Ziel ist der Lünersee. Wir wandern zunächst noch auf
einem Karrenweg, später auf einem blossen Fusspfad ansehnlich
steigend durch den sich lichtenden Wald und über die zum Alvier-
bache zusammenrauschenden Wasser, Um uns jubelt Alpenrosen-
pracht, zu unserer Rechten aber vom Motenkopf herunter ziehen
sich die öden Schutthalden zerbröckelnden Gebirgs. Auf der Alpe
Schattenlagant beginnt die schärfere Steigung, sie leitet uns gegen
einen “\nerzug von Felsen empor, die scheinbar unersteiglich das
Tal absperren. Ein Wasserfall weht fein wie eine in durchsichtige
Schleier gehüllte Sylphide von der steilen Felswand hinab, es ist
der Iluftige Gruss des hinter dem Grat verborgenen Sees. Man
spannt; Wie geht nun der Pfad? Unmittelbar vor dem erquickliche
Kühle herniedersprühenden Sturz wendet er sich rechtshin und in
einer Menge von Zickzacken eine Schutthalde empor, an der die
letzten Bäume des Gebirgs ihr kärgliches Dasein fristen. Es sind
die Legföhren, deren Stämme weithin auf dem Boden kriechen und
sich nur mit dem Wipfel etwa mannshoch in die Luft erheben.
Dichtgedrängt steht ihr buschiges, dunkel meergrünes Nadelwerk,
so’ recht für den Kampf mit dem Höhenwinter eingerichtet, Hart
ist der Weg, doch ungefährlich, selbst die romantische Felsenpassage
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