Der innere Walgau und seine Täler.
zing an der IM. Sein Ruhm ist, einen eigenen Himmel zu’ haben.
Es ist aber nicht der blaue über dem Dorf, sondern der grüne im
Gamperdonatal, von der Station Nenzing fünf oder sechs Stunden
einwärts in der südlichen Bergwelt, deren höchste Zinnen Gletscher
und Schneefelder tragen.
Ja, einmal in den Nenzinger Himmel! Ein Pfad im Tannen-
schatten führt uns hinan. Wegzeiger ist die Ruine des Schlosses
Frastafeders auf einem Schuttkegel über der Ill. An jeder Wegecke
hält man einen Augenblick an, um die Aussicht auf die jenseits
der Il ansteigende Fruchtlandschaft zu geniessen. Über die Wiesen-
gründe des Grossen Walsertales fliegt der Blick bis zu den Häuptern
des Rothorn und des Zitterklapfen und über die Schadona bis zum
Widderstein. Unter dem Pfade gischtet in Nagelfluhfelsen der
Mängbach. Auf einem vorspringenden Felskopf können wir die
Schlucht von allen Seiten betrachten. In prasselnden Raketen, in
sonnenum“nieltem Sturz wirft sich der Gamphbach in den Mängbach.
Der zwi hen beiden jäh aufschwellende Eckskopf fesselt durch
die Kuhnheıit seines Baues. Der Steilweg aber ist zum sanften
Hochtalpfad “eworden. Murmellaute! Eine Schar junger Mädchen
und Frauen pilgert betend vor uns daher. Sie besuchen das Wall-
fahrtskirchlein Kühbruck, das zwei Stunden von Nenzing in wilder
Schlucht zwischen bemosten Felsblöcken steht und im Volk der
Umgebung den Ruf besonderer Heiligkeit geniesst. In die bald er-
habenen, bald’ lieblichen Bilder des Tals tragen die zahlreichen
Martertafeln einen tiefernsten Ton. Ihre Bilder und rührenden In-
schriften erinnern an Lawinenunglück oder-Sturz in die Tiefe. Am
einen Ort ist von dem „Sterbhfall einer verunglückten Jungfrau“ die
Rede, am andern lesen wir: „Hier wurde der tugendsame Jüngling
KK. 7 verunglückt“, ein besonders in die Augen fallender Stein be-
wahrt das Andenken an einen Zögling der Stella matutina in Feld-
kirch, der im Jahr 1886 durch den Bruch des Geländers in die Tiefe
stürzte, dann wieder lesen wir: „Ich stirb und reis’, weiss nicht
wohin, das kommt, weil ich nicht wachbar bin.“ —
Eine Bank bei der Wallfahrtskapelle gewährt uns Rastgelegen-
heit. Da ruhen auch gern die Alpknechte, die auf zweiräderigen
Karren die für die Älpler notwendigen Bedürfnisartikel vom Dorf
in den Nenzinger Himmel schaffen. Gewiss keine Kleinigkeit, mit
den Wägelchen den Höhenunterschied von 850 Meter zu über-
126