Einführung, Ausbau und Änderung direktdemokratischer Instrumente
2) Handelt es sich um die Verfassung im ganzen oder um einzelne Teile derselben,
so ist hiezu das Verlangen von wenigstens 600 wahlberechtigten Landesbürgern
oder von wenigstens vier Gemeinden erforderlich.
3) Der Landtag ist befugt, über die Aufnahme einzelner Grundsätze in ein zu erlas-
sendes Gesetz eine Volksabstimmung zu veranlassen.
4) Die Volksabstimmung erfolgt gemeindeweise; die absolute Mehrheit der im gan-
zen Lande gültig abgegebenen Stimmen entscheidet über Annahme oder Ablehnung
des Gesetzesbeschlusses.
5) Dem Referendum unterliegende Gesetzesbeschlüsse werden erst nach Durchfüh-
rung der Volksabstimmung beziehungsweise nach fruchtlosem Ablauf der für die
Stellung des Begehrens nach Vornahme einer Volksabstimmung normierten dreis-
sigtägigen Frist dem Landesfürsten zur Sanktion vorgelegt.
6) Hat der Landtag einen ihm im Wege der Volksinitiative (Art. 64 Bst. c) zugegan-
genen ausgearbeiteten und erforderlichenfalls mit einem Bedeckungsvorschlag ver-
sehenen Gesetzentwurf abgelehnt, so ist derselbe der Volksabstimmung zu unter-
ziehen. Die Annahme des Entwurfes durch die wahlberechtigten Landesbürger ver-
tritt in diesem Falle den sonst zur Annahme eines Gesetzes erforderlichen Beschluss
des Landtages.
7) Die näheren Bestimmungen über das Referendum werden im Wege eines Geset-
zes getroffen.
2.1.3 Vorbilder für direktdemokratische Verfahren
in der Verfassung von 1921
Als Vorbild für die Einführung und Ausformulierung der direkten
Volksrechte in Liechtenstein müssen die schweizerische Bundesverfas-
sung, mehr aber noch verschiedene Kantonsverfassungen angesehen
werden. Die etwa zeitgleich entstehende neue Bundesverfassung Öster-
reichs vom 1. Oktober 1920 eignete sich in Bezug auf die direkte Demo-
kratie dagegen nicht als Vorbild. Dort lautete Art. 43: «Einer Volksab-
stimmung ist jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates vor seiner Beur-
kundung durch den Bundespräsidenten zu unterziehen, wenn der
Nationalrat es beschliesst oder die Mehrheit der Mitglieder des National-
rates es verlangt.» Volksabstimmungen konnten somit auf Bundesebene
nicht durch Unterschriftensammlung eingeleitet werden und waren dem-
nach dem Prinzip der repräsentativen Demokratie untergeordnet.
Einen ähnlichen Weg in der Verfassungsgebung wie Liechtenstein
schlug Vorarlberg ein, wo in der Umbruchperiode nach dem Ersten
Weltkrieg der Anschluss an die Schweiz gesucht wurde und in der Lan-
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