Faktoren von Erfolg und Misserfolg
diese Weise abgelehnt — einmal sehr deutlich (1945), einmal knapp
(1972) ^, aber auch andere Vorlagen scheiterten trotz starker Annahme-
empfehlung.
Es gibt ausserdem noch fünf Fille von Ablehnung, in denen eine
mehrheitliche Pro-Empfehlung einer Grosspartei alleine oder im Ver-
bund mit einer kleineren Partei vorlag, wahrend die andere Grosspartei
eine neutrale Haltung einnahm. Obwohl also auch in diesen Fallen das
Pro-Lager rechnerisch deutlich überwog, wurden die Vorlagen abge-
lehnt. Es handelt sich um das Landtagsbegehren zum Steuergesetz 1990
(24,0 Prozent Ja), den Gegenvorschlag des Landtags zur Initiative «Glei-
che Rechte für Mann und Frau» 1985 (28,3 Prozent Ja), die Initiative
gegen den schulfreien Samstag 1991 (34,7 Prozent Ja) und das Referen-
dum gegen das Jagdgesetz 1985 (37,5 Prozent Ja).
Auf der anderen Seite der Skala gibt es nur einige wenige Vorlagen,
welche von Parteienseite mehrheitlich — teilweise mit knapper Mehrheit
— abgelehnt wurden, aber trotzdem die Hürde der Volksabstimmung
gemeistert haben.
Insgesamt zeigt sich, dass Vorlagen, die von Parteienseite mehrheit-
lich abgelehnt werden, in einer Volksabstimmung nur geringe Chancen
aufweisen. Andererseits reicht aber das Eintreten der Parteien auf eine
Vorlage nicht aus, dass Vorlagen auch erfolgreich die Hürde einer Volks-
abstiimmung nehmen. Dies betrifft insbesondere Vorlagen, welche im
Landtag verabschiedet wurden und als Landtagsbegehren vor das Volk
gelangen. Die Parteien sehen sich dann hàáufig in der Pflicht, ihren eige-
nen Landtagsbeschluss zu unterstützen und eine Ja-Empfehlung auszu-
sprechen.
In vielen Fällen (25 von allen 106 Abstimmungen zwischen 1919
und 2017) verzichteten allerdings alle Parteien auf eine Abstimmungs-
empfehlung, meist aus Rücksicht auf die heterogene Wählerschaft und
Parteibasis, obwohl die Parteispitze wohl tendenziell für oder gegen eine
Vorlage war. Die Abweichung zwischen Wählerverhalten und Parteim-
einung ist daher mit den oben dargestellten Daten nicht exakt erfasst. In
zehn Fällen handelte es sich um ein Landtagsbegehren, in zehn Fällen
um ein Referendum, in fünf Fällen um eine Initiative. Das ist insofern
erstaunlich, als den Landtagsbegehren wie auch den Referenden ein
mehrheitlicher Zustimmungsbeschluss des Landtags vorausgeht.
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