Praxis der direkten Demokratie
frieden» einen markanten Kontrapunkt zur Fürsteninitiative setzte.
Nach Ansicht der Initianten stárkte die Fürsteninitiative die Rechte des
Monarchen. Ihr Gegenentwurf zielte dagegen auf eine deutliche Macht-
einschränkung des Fürsten hin. Die Vorlage war daher weniger ein Frie-
dens- oder Kompromissangebot, sondern vielmehr eine Kampfansage.
Vom Fürsten, verfassungsrechtlich mit Sankuüonsrecht. ausgestattet,
wurde die Initiative denn auch sofort als «Totgeburt» charakterisiert?
Die Unterschriftensammlung konnte also gestartet werden.
Gleichzeitig wandten sich 53 besorgte Bürgerinnen und Bürger im Sep-
tember 2002 direkt an den Europarat mit dem Ersuchen, allfállige Ver-
letzungen von Demokratiestandards des Europarates festzustellen.>®
Parallel zum innenpolitischen Initiativprozess entwickelte sich somit
eine Debatte auf europäischer Ebene. Die Venedig-Kommission des
Europarates, bestehend aus Verfassungsrechtlern aller Mitgliedsstaaten,
stellte im Dezember 2002 fest, dass der Verfassungsvorschlag des Fürs-
tenhauses mit den Prinzipien des Europarates nicht vereinbar sei.5°! Kri-
tisch fiel auch der Bericht des Rapporteurs der politischen Abteilung des
Europarates im Januar 2003 und zweier Berichterstatter des Monitoring-
Komitees des Europarates im August 2003 aus — nachdem die Verfas-
sungsrevision bereits beschlossen war.5%2 Die Beschäftigung des Europa-
rates mit dem Fall Liechtenstein ging noch weit über den Abstimmungs-
tag hinaus. Unter dem Titel «Dialog» schuf er ein neues Instrument, um
ältere Europaratsmitglieder einer Überprüfung zu unterziehen, ohne sie
dem eher auf osteuropäische Beitrittskandidaten und Neumitglieder zu-
geschnittenen Monitoring-Verfahren unterstellen zu müssen. Das Dia-
logverfahren mit dem liechtensteinischen Landtag endete mit einem kri-
tischen Bericht zuhanden des Büros des Europarates, zog dann aber bis
dato keine weiteren Konsequenzen nach sich.5
In der Abstimmungskommunikation dominierten je linger je mehr
sachfremde Aspekte die Debatte. Die Bedeutung der einzelnen Verfas-
499 Interview mit Fürst Hans-Adam II. im Liechtensteiner Volksblatt vom 31. Oktober
2002, S. 3f.
500 Demokratie-Sekretariat 2002.
501 Council of Europe 2002a, 2002b.
502 Lord Kilclooney, Council of Europe 2003a; Michael Hancock und Erik Jurgens,
Council of Europe 2003b.
503 Council of Europe 2006.
400