1.2
Direkte Demokratie:
Definition
Eine Definition von direkter Demokratie ergibt sich nach obigen Aus-
führungen zunächst aus einer Abgrenzung zur indirekten Demokratie
bzw. der Repräsentativdemokratie. Somit fallen reguläre Wahlen zur
Bestellung von Mandatstrágern — seien dies Parlamentswahlen, Regie-
rungswahlen oder Prásidentschaftswahlen — ausser Betracht. Solche
Wahlen finden in allen demokratischen Systemen statt. Sie stellen daher
keine Besonderheit der direkten Demokratie dar, kónnen somit also kein
Wesensmerkmal von direkter Demokratie sein. Unter direkter Demo-
kratie müssen demzufolge formal geregelte politische Instrumente und
Verfahren sowie deren Einsatz verstanden werden, die einen zusátzli-
chen, wirksamen Einfluss der Stimmberechtigten auf die Politik ausser-
halb von Wahlen ermóglichen. Eine Abgrenzung am anderen Ende der
Skala wird sinnvollerweise gegenüber den informellen Mechanismen der
Meinungsbildung und Entscheidungsfindung vorgenommen. Politische
Meinungsäusserungen bis hin zu zivilgesellschaftlichem Engagement in
allen Formen — Vereins- und Verbandstätigkeit, Parteiarbeit, informelle
Konsultationsverfahren wie runde Tische usw. — kônnen nicht unter dem
Begriff der direkten Demokratie subsumiert werden. Solche Beteili-
gungsformen gibt es auch in reinen Repräsentativdemokratien.
Direkte Demokratie bezieht sich somit auf das Vorhandensein
direktdemokratischer Instrumente mit entsprechender gesetzlicher Ver-
ankerung sowie deren Anwendung innerhalb grundsätzlich repräsenta-
tiv verfasster, demokratischer Staaten. Elemente repräsentativer Demo-
kratie und direkte Demokratie schliessen sich nicht aus. Direktdemokra-
tische Verfahren sind eine Erweiterung des Entscheidungsprozesses in
Demokratien. Terminologisch bzw. logisch auszuschliessen ist direkte
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