Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Verfahren und Regelungen bei Volksabstimmungen 
gen konnte. Die Chancen einer Initiative waren natürlich geschmälert, 
weil sich die veränderungswilligen Stimmen auf zwei Vorlagen aufteilten. 
Erst 1985 wurde mit einer Revision des VRG das Verfahren mit 
mehreren Parallelvorlagen (Initiativen, Gegenvorschlag des Landtages) 
explizit geregelt (LGBl. 1985.028). Das «doppelte Ja» wurde jedoch 
nicht eingeführt. Es waren fortan nur Stimmzettel gültig, die entweder 
eine der gestellten Fragen mit Ja beantworteten, oder Stimmzettel, 
welche eine, mehrere oder alle Fragen verneinten. Stimmzettel, welche 
mehr als eine Frage bejahten, galten nunmehr als ungültig (Art. 84 Abs. 2 
und 3). Das Gesetz stand ab 28. Mai 1985 in Kraft. 
Diese Regelung reduzierte die Chance auf Annahme einer Vorlage 
massiv, da die Status-quo-Variante stark bevorteilt wurde. Daher 
bezeichnete der StGH dieses Verfahren in einem Gutachten von 1987 als 
«mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig».?2 Nach Rechtsauf- 
fassung des StGH ist in der liechtensteinischen Verfassung der demokra- 
tische Charakter gewollt und betont. «Die Verfassung will daher freie, 
unverfälschte, wirksame, unmanipulierte und genügend differenzierte 
Abstimmungen, in denen der freie Wille des Volkes Ausdruck finden 
soll.»3 Mit der Einführung des Abstimmungsmodus im Jahr 1987, wo- 
nach fortan mit einem «doppelten oder mehrfachen Ja» abgestimmt wer- 
den konnte, wurde diese Formulierung im VRG ohnehin obsolet. 
Auf Grundlage der 1985 eingeführten und 1987 abgeschafften 
Regelung fanden zwei Volksabstimmungen statt, die unter diese Rege- 
lung fielen: einerseits die Abstimmung vom 31. Mai/2. Juni 1985 über 
Erhöhung der Mandatszahl für den Landtag, in welcher sich zwei Volks- 
initiativen der FBP (43,6 Prozent Ja-Stimmen) und der VU (39,0 Prozent 
Ja-Stimmen) konkurrenzierten, andererseits die Abstimmung vom 
29. November/ 1. Dezember 1985 über die Volksinitiative zur Gleichbe- 
rechtigung von Mann und Frau (23,3 Prozent Ja-Stimmen) sowie den 
Gegenvorschlag des Landtags (28,3 Prozent Ja-Stimmen). Bei der Man- 
datszahlerhöhung hatten also insgesamt 82,6 Prozent für eine Verände- 
rung gestimmt, bei der Abstimmung über die Gleichberechtigung 51,6 
Prozent. Dennoch blieb alles beim Alten. 
  
382 StGH 1986/10 vom 6. März 1987, in: LES 1987, S. 153. 
383 StGH 1986/10 vom 6. März 1987, in: LES 1987, S. 148. 
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