Gegenvorschlag des Landtages zu einer Volksinitiative
Damit hat der Landtag noch zu beschliessen, dass die Regierung mit der Anordnung
einer Volksabstimmung beauftragt wird.
Wer dafür ist, möge die Hand erheben. (Abstimmung: einhellige Zustimmung.)
Abg. Armin Meier:
Herr Präsident, genügt diese Annahme mit 8 Stimmen, dass der Gegenvorschlag
auch der Volksabstimmung unterbreitet wird oder braucht es hier auch das qualifi-
zierte Mehr.
Präsident Dr. Karlheinz Ritter:
Nein, da handelt es sich um einen einfachen Beschluss, weil es sich zwar um einen
Verfassungstext handelt, der aber nicht vom Landtag beschlossen wird, sondern
vom Volk.
Der Landtag war also 1985 der Meinung, dass für einen Gegenvorschlag
zu einer Verfassungsinitiative eine mehrheitliche Zustimmung im Land-
tag reiche und dass eine eher rudimentäre Lesung genüge. 20 Jahre später
wurden für den gleichen Vorgang Lesungen abgehalten, Diskussionen
geführt und Abänderungsanträge diskutiert. Es wurde darüber abge-
stimmt sowie zwei Abstimmungen mit Dreiviertelmehrheit an zwei auf-
einanderfolgenden Sitzungen durchgeführt. An der Rechtslage (Verfas-
sung, Volksrechtegesetz) hat sich allerdings in diesem Zeitraum zur
Frage des Gegenvorschlags nichts geändert.
Es scheint 1985 wenig Sorgfalt geherrscht zu haben bezüglich der
Frage, wie mit einem Gegenvorschlag umzugehen sei. Im Rückblick
wirkt der 1985 im Landtag gefasste Beschluss zum Gegenvorschlag wie
ein Schuss aus der Hüfte. Dieses Bild ist insofern auch nicht falsch, als
den politischen Eliten klar war, dass mit einem Gegenvorschlag die
Volksinitiative wirksam bekämpft werden konnte, da das Abstimmungs-
verfahren mit der Möglichkeit des doppelten Ja noch nicht eingeführt
war.?25 Schliesslich stimmten 1973 Stimmberechtigte für die Initiative,
2400 für den Gegenvorschlag, 4109 lehnten beide Vorlagen ab. Dem ab-
lehnenden Lager standen insgesamt 4373 Veränderungswillige gegen-
über, die sich jedoch auf zwei Initiativen aufspalteten.
325 Das doppelte Ja wurde erst 1987 aufgrund einer Volksinitiative mit Volksabstim-
mung eingeführt (Gesetz vom 24. Juni 1987 über die Abänderung des Volksrechte-
gesetzes, LGBI. 1987.049). Siehe ausführlicher in Kapitel 4.5.3.
205