Die direktdemokratischen Instrumente in der Gegenwart
auch die Stimmberechtigten einen Aufwand betreiben, welcher sich nach
Abschluss des ganzen Verfahrens als verfassungsmässig und staatsver-
traglich unzulässig erweisen würde. Bis zu jenem Zeitpunkt war das
Gesetz in dieser Frage nicht klar und liess Auslegungen in mehrere Rich-
tungen offen. Der sich abzeichnende Beitritt zum EWR verschärfte die
Situation insofern, als es für einfache Bürgerinnen und Bürger künftig
mitunter noch schwerer abschätzbar sein würde, ob eine Initiative mit
den übergeordneten Bestimmungen konform ist.
Im Landtag wurde bei der Einführung des Vorprüfverfahrens 1992
darüber diskutiert, ob für die Nichtigerklärung der Landtag oder die
Regierung zuständig sein solle. Im Falle der Regierung wäre die Entschei-
dung als Verwaltungsakt zu charakterisieren gewesen, wobei der Be-
schwerdeweg über den Verwaltungsgerichtshof (damals Verwaltungsbe-
schwerdeinstanz) und den Staatsgerichtshof geführt hätte, somit also ein
Verfahren mit zwei Gerichtsinstanzen. Der Landtag sprach sich in Über-
einstimmung mit dem Bericht und Antrag der Regierung für die Zustän-
digkeit des Landtages aus, wobei Beschwerde an den Staatsgerichtshof
móglich ist, somit also ein Verfahren mit einer Gerichtsinstanz.273
3.1.4.4.2.2 Vorprüfung in der Anwendung
Seit Einführung des Vorprüfverfahrens sind die folgenden Initiati-
ven angemeldet worden, haben also das Prüfverfahren durchlaufen:
Abänderung des Krankversicherungsgesetzes (1999), Anderung der Ver-
kehrspolitik (2002), Verfassungsinitiativen (2003), Klimaschutz (2004),
«Für das Leben» (Schwangerschaftsabbruch) (2005), einfache Initiative
betreffend Pensionsversicherung für das Staatspersonals (2008), Locke-
rung des Rauchverbots in der Gastronomie (2008), Grenzwerte bei
Mobilfunkanlagen (2009), «Hilfe statt Strafe» (Fristenlósung bei
Schwangerschaftsabbruch) (2011), «Ja — damit deine Stimme zählt»
(Vetorecht des Landesfürsten) (2012), Pensionskassen-Initiativen «Win-
273 LIP 1992, S. 1341-1390, insbesondere S. 1370-1381. Regierungschef-Stellvertreter
Herbert Wille beantragte, die drei Lesungen in einer einzigen Sitzung durchzubera-
ten, damit unter Einhaltung einer Referendumsfrist das Gesetz noch vor der Volks-
abstimmung über den EWR in Kraft treten kónne. Dies wurde auch so gemacht.
Beim Beschluss zum Instanzenzug gab es im Landtag eine Stimmenthaltung ohne
namentliche Erfassung der Entscheidungen der einzelnen Abgeordneten im Proto-
koll. Die Vorlage wurde am 17. September 1992 gleichentags in 1., 2. und 3. Lesung
beraten und einstimmig verabschiedet.
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