Volltext: Direkte Demokratie in Liechtenstein

Formulierte Initiative 
1929: Initiative betreffend Schächtverbot 
  
Im Frühjahr 1929 meldeten Gegner des Schächtens eine Initiative für die Schaffung 
eines Gesetzesparagraphen gegen das Schächten an (Liechtensteiner Volksblatt vom 
9.3.1929). Die Bestimmungen zur Tierquälerei waren damals in $ 64 des Personen- 
und Gesellschaftsrechts geregelt, da erst 1936 ein Tierschutzgesetz erlassen wurde. 
Hintergrund der Initiative war die Erteilung einer Konzession für einen entspre- 
chenden Schlachtbetrieb in Schaan an den Schweizerischen Israelitischen Gemeinde- 
bund in Basel. Der Standort Liechtenstein wurde ins Auge gefasst, da in der Schweiz 
ein Schächtverbot bestand (Art. 25 Bundesverfassung) und ein Importverbot von 
geschächtetem Fleisch drohte. Die Landwirtschaft (Liechtensteiner Bauernverband) 
versprach sich einen Absatzkanal für Schlachtvieh, da Juden in der Schweiz Schlacht- 
vieh importieren mussten und die Belieferung aus Liechtenstein privilegiert worden 
wäre. Das Liechtensteiner Volksblatt unterstützte die Regierung in ihrem Vorhaben 
für eine Konzessionserteilung und wies darauf hin, dass «das schweizerische Volks- 
wirtschaftsdepartement unserer Regierung die Konzessionserteilung nahelegte» 
(Liechtensteiner Volksblatt vom 23.3.1929). Die Liechtensteiner Nachrichten gaben 
sich distanziert-kritisch. Es wurde mit dem Tierschutz argumentiert, andererseits, 
dass man sich aufgrund des Zollvertrages keinen ungerechtfertigten Vorteil gegen- 
über der Schweiz verschaffen dürfe. Insbesondere Rudolf Schädler engagierte sich 
für ein gesetzlich verankertes Schächtverbot in Liechtenstein (aus der Sicht des 
Liechtensteiner Volksblattes vom 26.3.1929 handelte es sich um «Angebliche Tier- 
freunde, Antisemiten und abgesägte Politiker»). Die Initiative wurde mit 724 Unter- 
schriften eingereicht (Liechtensteiner Volksblatt vom 28.3.1929/Liechtensteiner 
Nachrichten vom 26.3.1929). Der Landtag lehnte in seiner Sitzung vom 22. April 
1929 die Initiative zum Schächtverbot, die insbesondere vom Abgeordneten Franz 
Amann aus Vaduz vertreten wurde, mit 11 gegen 4 Stimmen ab. Es wurde erwartet, 
dass «in etwa 14 Tagen» das Volk darüber entscheiden werde (Liechtensteiner Volks- 
blatt vom 25. April 1929). Am 9. Mai berichtete das Volksblatt vom Gerücht, dass 
über die Schächt-Initiative am 26. Mai abgestimmt werde, also am gleichen Tag wie 
über die Alkohol-Initiative. In einer Kundmachung wurden gleichentags bereits die 
Gemeindevorstehungen zur Vorbereitung der «Volksabstimmung zur Initiative auf 
Erlass eines Schächtverbotes» (Überprüfung der Stimmregister) aufgefordert. Am 
25. Juni 1929 diskutierte der Landtag über eine Verschiebung des Abstimmungster- 
mins, da vonseiten der Initianten bedauert würde, dass Alphirten etc. nicht an der 
Abstimmung teilnehmen könnten. Der Landtag überliess es der Regierung mit 
7 Stimmen ohne Gegenstimme, einen Abstimmungstermin nach eigenem Ermessen 
festzulegen. Am 28. September 1929 zitierte das Liechtensteiner Vaterland die Neue 
Zürcher Zeitung mit der Meldung, dass der Israelitische Gemeindebund das Gesuch 
zurückgezogen habe und dass die Volksabstimmung damit hinfällig werde. Das 
Liechtensteiner Vaterland vertrat jedoch die Ansicht, dass die Initiative gegen die 
«Gurgelabschneiderei» trotzdem dem Volk vorgelegt werden müsse, ausser der 
Landtag erhebe die Vorlage zum Gesetz. Trotzdem kam es in der Folge weder zu 
einer weiteren Behandlung im Landtag noch zu einer Volksabstimmung. 
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