Formulierte Initiative
zurückwies. Somit ist eine eingehende Klärung der Frage nach dem
Erfordernis der Einheit der Materie ausgeblieben.
In einem Gutachten von 1964 hatte der StGH unter anderem darü-
ber Auskunft zu geben, ob ein im Wege der Volksinitiative eingebrachter
Entwurf den Vorschriften des Art. 23 Abs. 5 VRG (1922) entspreche22
Dieser Artikel entsprach exakt dem oben zitierten Art. 69 Abs. 5 des
aktuellen VRG von 1973. Für die Regierung als anfragende Behörde
stellte sich das Entscheidungsproblem, dass eine Initiativvorlage sowohl
eine Abänderung des Gesetzes betreffend die Errichtung einer Gewer-
begenossenschaft wie auch eine Abänderung der Gewerbeordnung und
der Verordnung der Regierung zu den Statuten der Gewerbegenossen-
schaft beinhaltete, also in einer Vorlage zwei Gesetze und sogar noch
eine Verordnung betraf.
Der StGH argumentierte, dass der erwähnte Art. 69 im VRG gera-
dezu das Erfordernis der «Einheitlichkeit» (sic!) des Initiativbegehrens
verlange. Und weiter: «Dies ist ein von allen Verfassungen, die dem
Staatsvolk das Initiativrecht einráumen, anerkannter Grundsatz. Nur bei
Einheitlichkeit eines Initiativbegehrens kann der wirkliche Wille der
Stimmberechtigten eindeutig zum Ausdruck gebracht werden.»?? Der
StGH interpretierte die entsprechende Bestimmung des VRG somit
nicht dahingehend, dass sie den Zweck verfolgt, eine Kumulierung von
unterschiedlichen Gesetzen in Initiativbegehren zu verhindern, sondern
die Einheitlichkeit der Materie zu gewährleisten. Die Interpretation ver-
schiebt sich daher von der grammatikalischen Auslegung (Verbalinter-
pretation) auf die teleologische Auslegung (Zweckinterpretation).27
223. StGH 1964/3, Gutachten des StGH vom 22. Oktober 1964, in: ELG 1962-1966.
224 StGH 1964/3, Gutachten des StGH vom 22. Oktober 1964, in: ELG 1962-1966,
S. 223.
225 Zu den verschiedenen Auslegungsmethoden Kley 1998, S. 83-102. Er geht auf die
grammatkalische Auslegung (Verbalinterpretation), die logisch-systematische und
verfassungskonforme Auslegung, die historisch oder zeitgemässe Auslegung, die
teleologische Auslegung und die komparative Auslegung ein. In der Analyse der
liechtensteinischen Gerichtsentscheidungen, insbesondere auch der StGH-Ent-
scheidungen, stellt Kley fest, dass sich die liechtensteinischen Gerichtshôfe zu einem
Methodenpluralismus bekennen (S. 99). Im erwähnten Fall ist der S(GH ganz deut-
lich nicht der grammatikalischen Methode gefolgt. Stattdessen hat er (nach Meinung
des Autors dieser Studie) unter der Annahme der Verfassungskonformität und in
einem Vergleich mit den Interpretationen in anderen Staaten mit direktdemokrati-
scher Praxis, aber ohne direkte Berücksichtigung der historischen Debatten bei der
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