Formulierte Initiative
Die Vorschriften zur Einheit der Form greifen in. Liechtenstein aller-
dings unnötig weit, da damit auch eine sachlich gerechtfertigte Kombi-
nation von Gesetzes- und Verfassungsänderung unzulässig ist. Dies
kann zu Volksabstimmungen führen, wie im Falle der Abstimmung über
die Wahlrechtsänderung (Proporzinitiative) im Jahr 1930, als über den
betreffenden Art. 46 der Verfassung in einer diesbezüglichen Vorlage
abgestimmt wurde, über die unmittelbar dazugehórenden Ausführungs-
bestimmungen im Gesetz aber in einer separaten Vorlage. Das Abstim-
mungsergebnis der beiden Vorlagen war in diesem Fall bis auf wenige
Stimmen erwartungsgemáss deckungsgleich. Dies muss aber nicht zwin-
gend sein, und so kónnte es theoretisch vorkommen, dass in zwei ge-
trennten Volksabstimmungen auf Verfassungs- und Gesetzesebene zeit-
gleich abweichende Bestimmungen beschlossen werden. Martin Batliner
pládiert aus diesem Grund für eine «bedingt eingereichte Gesetzesinitia-
tive».215 Allfalligen Initianten kônnte aber auch empfohlen werden, sich
auf die hóhere Normierungsstufe zu beschránken. Wenn etwa auf Ver-
fassungsebene ein neues Wahlrechtsalter mittels eines Begehrens an-
gestrebt wird, ist es als zwingend zu erachten, dass der Gesetzgeber im
Falle einer Annahme die notwendigen Anpassungen auf Gesetzesstufe
vornimmt, sodass dies nicht notwendigerweise von den Initianten be-
reits in einer zweiten Vorlage auf Gesetzesstufe anvisiert werden muss.
Eine unzulässige Einschränkung der Volksrechte wäre jedenfalls, Initia-
tiven gänzlich zu untersagen, wenn sie sich zwangsläufig auf Verfas-
sungs- und Gesetzesebene auswirken.
Ein Beispiel für die Vermengung von Verfassungs- und Gesetzes-
vorlage stellt die Abstimmung über das Wahlrechtsalter im Jahr 1992 dar,
bei welcher gleichzeitig über die Anpassungen in der Verfassung und im
Gesetz abgestimmt wurde, und zwar in einer gemeinsamen Vorlage. Es
handelte sich dabei um ein Landtagsbegehren, bei dem die strikte Einheit
der Form, wie bereits ausgeführt, nicht gilt. Im Falle einer Volksinitiative
hätten sich die Initianten entscheiden müssen, ob sie die Änderung auf
Gesetzesebene oder Verfassungsebene anpeilen.
Streben Initianten auf Gesetzesebene eine spezifische Lösung an,
die sich aus einer Verfassungsinitiative nicht zwingend ableiten lässt, da
215 Batliner 1993, S. 147, mit Verweis auf BGE 104 Ia 249 und Kölz 1982, S. 27f. Dem-
nach soll das Bundesgericht «Bedingungen in Initiativen zu[lassen], wenn sie an
Sachverhalte anknüpfen, die ausserhalb des betreffenden Verfahrens liegen».
123