stiefeier erklären. Das Kirchenvolk legte Wert auf die tägliche Feier der Messe, die Taufe der
Kinder, die Erteilung der Sterbesakramente und die Bestattung der Toten im Kreis der Ge-
meinde. Eine Kultstätte am Ort vermittelte den Ortsbewohnern den Eindruck, Gott und den
Heiligen näher zu sein. Zudem profitierte die ganze Dorfgemeinde vom Schutz, den der Hei-
‘ige als Patron der Dorfkirche den Dorfbewohnern mit seiner Anwesenheit in ihrer Gemeinde
bot. Das Vertrauen auf die Hilfe übernatürlicher Kräfte half den Gläubigen, mit der alltägli-
chen Angst vor der unberechenbaren Natur fertig zu werden. Man wählte sich Heilige, wel-
chen man besonderen Schutz und Hilfe auf demjenigen Gebiet zutraute, das für den Alltag
wichtig war. Diese fungierten dann als Fürsprecher im Himmel und bewahrten die Gemein-
de, wie man glaubte, vor Krankheiten und Missernten.
Zu den religiösen Motiven gesellten sich aber noch andere. So hatte die Kirche im Dorf be-
sondere Bedeutung als Statussymbol der dörflichen Gemeinde. In den Filialgemeinden (bei
uns z.B. Vaduz, Planken, Triesenberg) wurde der Besuch der vielfach weit entfernten Pfarr-
kirche zunehmend vernachlässigt. Sie unternahmen alles, um durch Aufstockung von Stif-
tungskapital Pfarrechte für die Pfründe in ihrem Dorf zu gewinnen. Die Unabhängigkeit von
der Mutterkirche und die Erhebung der Filialkirche zur eigenständigen Pfarrei wurden auf
diese Weise angestrebt.
2) Die Errichtung der Kuratie Vaduz
Am 9. Juli 1828 berichtet der Schaaner Pfarrer, Landesvikar und Kanonikus Jakob Anton
Carigiet in einem Schreiben dem bischöflichen Ordinariat in Chur von den religiösen und sitt-
lichen Zuständen in Schaan und vor allem in Vaduz. Demnach ist die Seelsorge der ausge-
dehnten Pfarrei beinahe ausschließlich dem Pfarrer aufgebürdet und daher ungenügend.
Der Schaaner Hofkaplan weigert sich unter Berufung auf den Stiftbrief, Aushilfe zu leisten
bei Gottesdiensten, im Beichthören, Krankenbesuch, Predigen und Schulunterricht. Er be-
gnügt sich mit der Lesung der Messe, gibt in Vaduz zweimal im Monat Katechismusunter-
richt und hat sich im übrigen an ein „nmüßiges Faulenzerleben“ gewöhnt. In Vaduz sieht es
noch schlimmer aus. Dort „faulenzen“ zwei Hofkapläne.
Sie lesen lediglich an Sonn- und Feiertagen ihre Messe, halten aber keine Predigt und lei-
sten überhaupt keine Seelsorgearbeit. Die Vaduzerinnen und Vaduzer müssen sich mit der
stillen Messe in der Florinskapelle begnügen. Nach Schaan in die Pfarrkirche gehen sie
nicht, da dort zu wenig Platz ist. So hören sie das ganze Jahr durch keine Predigt und haben
im Dorf keine Beichtgelegenheit. Kranke bleiben ohne seelsorgerische Betreuung, die Ju-
gend ohne Christenlehre.
Carigiet schlägt nun vor, den Schaaner Hofkaplan zur Aushilfe in der Seelsorge zu ver-
pflichten. Für Vaduz soll eine eigene Seelsorge, entweder eine selbständige Pfarrei oder ei-
ne Kuratie unter dem Schaaner Pfarramt, errichtet werden. Eine der beiden Hofkaplaneien
soll dazu umgewandelt werden. Das bischöfliche Ordinariat und der Fürst als Patronatsherr
der Vaduzer Kaplaneien sind mit diesem Vorschlag grundsätzlich einverstanden. 1836 steht
die Neubesetzung der unteren Hofkaplanei an. Nun schlägt Landvogt Menzinger vor, diese
Pfründe in ein „Kuratbenefizium“ umzuwandeln und gleichzeitig die obere Hofkaplanei
ebenfalls mit Seelsorgepflichten auszustatten. Der Fürst begrüßt diesen Vorschlag und
drängt auf eine baldige Erledigung der Angelegenheit. Er will, dass die umgewandelte
Pfründe gut ausgestattet wird. Ihr soll all das zukommen, was der Schaaner Pfarrer bisher
aus Vaduz bezogen hat.
Anfangs Dezember 1836 übernimmt Josef Anton Wolfinger von Balzers die untere Hofka-
planei. In seiner Präsentationsurkunde wird die Kaplanei bereits „Kuratbenefizium“ genannt.
Wolfinger erhält vom bischöflichen Ordinariat die Vollmacht, vorläufig provisorisch alle pfarr-
amtlichen Funktionen in der St. Florinskapelle und Gemeinde Vaduz auszuüben. Sofort wird
in Vaduz alles für eine selbständige Seelsorge eingerichtet. Das kleine Stück Boden um die
Kapelle dient als Friedhof. Vaduz ist nun faktisch von Schaan kirchlich getrennt.