Spätestens seit dem Frühjahr 1819 also stand Kaisers Wegzug in die
Schweiz fest. Er begann seine Berufstätigkeit nicht in Genf, wie mancher-
orts behauptet,!?” sondern reiste nach Hofwil bei Bern, um eine Tätigkeit
als Lehrer für Deutsch, Geschichte und alte Sprachen an der berühmten,
damals in Blüte stehenden Erziehungsanstalt des Berner Patriziers Philipp
Emanuel von Fellenberg aufzunehmen.!?® Die Anstellung erfolgte am
15. Juli 1819.12
Fellenberg, einer der drei grossen Schweizer Erzieher jener Zeit — neben
Johann Heinrich Pestalozzi und dem Freiburger Franziskaner Gregoire
Girard, die sich den liberalen Konzeptionen wie der Freiheit des Unter-
richtes, allgemeiner Schulpflicht und des Rechts auf freien Zugang zu den
Bildungsanstalten verpflichteten!” — führte eine Armenerziehungs-
anstalt (seit 1801), eine sich selbst tragende landwirtschaftliche Schule
(seit 1807) und eine «Erziehungsanstalt für Söhne höherer Stände» (seit
1808) im bernischen Hofwil. 1820 bis 1830 unterhielt Fellenbergs Frau,
Margaretha von Tscharner, zudem eine Erziehungsanstalt für Mädchen
aus den ärmsten Familien der umliegenden Gemeinden. 1830 kam eine
Realschule zur Förderung des Gewerbes hinzu, die als eigentliche
«Nationalerziehungs-Anstalt» gedacht war mit den Schwerpunktfächern
Geschichte, Vaterlandskunde, Zeichnen, geometrische Konstruktion,
moderne Sprachen und Landwirtschaft. Eine Handwerkerschule blieb im
Projektstadium, dafür war 1841 die Gründung einer Kleinkinderschule
erfolgreich. Die Lehrerbildungskurse, die Fellenberg seit 1806 organi-
sierte, fanden 1836 ihr Ende.
Bei der Rekrutierung der Lehrer griff Fellenberg mit Vorliebe auf Leute aus
der deutschen Burschenschaftsbewegung zurück, zumal er überzeugt
war, dass die deutsche Pädagogik und Wissenschaft eine besondere Mis-
127. Schon in den Nachrufen in der Neuen
Bündner Zeitung, Nr. 47 vom 25. Februar 1864,
und in der Liechtensteiner Landeszeitung,
Nr. 6 vom 5. März 1864. — Auch KIND in der
Allgemeinen Deutschen Biographie, Bd. 15, der
sagt, Kaiser habe nach dem Wegzug aus Frei-
burg in Genf an einer wissenschaftlichen Zeit-
schrift gearbeitet. — Diese immer wieder über-
nommene Aussage beruht wahrscheinlich auf
einer entsprechenden Falschangabe im nicht
von Peter Kaiser verfassten Lebenslauf, den die
Bündner Gemeinde Vigens am 15. Mai 1856
ihrem Gesuch an den Kanton, Kaiser das Bür-
gerrecht zu verleihen, beifügte. Im Lebenslauf
heisst es: Kaiser sei nach der Tätigkeit in Yver-
don nach Genf gegangen, «wo er wieder den
Wissenschaften lebte». Er habe sich mehrere
Jahre «in dieser durch Kunst, Wissenschaft und
Patriotismus bekannten Schweizerstadt» aufge-
halten. Danach sei er in Aarau als Lehrer tätig
zewesen. — Staatsarchiv Graubünden IV 25 g 4:
Einbürgerung Peter Kaisers in Vigens 1856.
Nachforschungen erbrachten keine Hinweise
ıf eine solche Tätigkeit Kaisers. In den damals
n Genf erschienenen Zeitschriften der Jahre
‚819/20 taucht Kaisers Name nicht auf. — Frdl.
Aitteilung von H. Bollhalter, Bibliotheque
»ublique et universitaire de Geneve.
128. Kurt GUGGISBERG: Philipp Emanuel
ron. Fellenberg und sein Erziehungsstaat. (2
3de.). Bern (1953). — Georg KÜFFER: Philipp
imanuel von Fellenberg. Der Stifter von Hofwil.
3ern 1944 (= Berner Heimatbücher 21)
129. Staatsarchiv des Kantons Bern, Sign.: BT
215: Manual des Geheimen Rates, Bd. 9, 5. 456.
— PABST: Theodor Müllers Leben und Wirken
in der Schweiz, Abt. 1/2, S. 165,
130. Geschichte der Schweiz und der
Schweizer, S. 585.
Fellenberg
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