Dolitische Töne
dentischen Organisationen anderer Universitäten gab es damals noch
keine; man wollte im Gegenteil vermeiden, dass «durch übertriebenes
Politisieren (...) die Zeit zur wissenschaftlichen Weiterbildung» verschleu-
dert werde, obwohl Wissen und Wissenschaft sich im Leben praktisch
bewähren müssten. Man beschäftigte sich in der Verbindung — später
Genossenschaft genannt — in Vorträgen mit religiösen, philosophischen
und historischen Stoffen, geriet jedoch bald in die Diskussion von Tages-
fragen. Mit heroischen Vorsätzen und recht martialisch tönenden Phrasen
— die Befreiungskriege gegen Napoleon wirkten nach — stritt man bald
gegen «Ausländerei», für «volksthümliche Wiedergeburt», «Deutschheit»
und «Zeitgeist».” Dass der Verein infolge der Beschäftigung mit Tagesfra-
gen alsbald eine recht politische Tendenz erhielt, war vorauszusehen,
obwohl man eine solche Entwicklung zuerst zu vermeiden suchte. Der
Weg ging vom literarischen Zirkel über den Debattierclub zur politischen
Vereinigung. Das zeigen die Vorträge Peter Kaisers, die sich mit dem Stu-
dium der Geschichte befassten, verbunden «mit der Lehre, sich nicht an
die Formen zu hängen, sondern den Geist zu erforschen».” Zunehmend
sprach er jedoch auch «von der Freiheit des deutschen Volkes» und von
der «Vereinigung Deutschlands», allenfalls unter einem einzigen Fürsten.
Der Verein befasste sich dann — ganz im Zuge der Zeit — recht schnell mit
der Gründung einer lokalen Burschenschaft, weil er in dieser Organisa-
tion ein taugliches Mittel zur Durchsetzung verschiedener politischer
Ziele erblickte. Man wollte möglichst grossen Einfluss auf die öffentlichen
Zustände gewinnen und auf Veränderung in Richtung Einheit hinwir-
ken.”* Im Oktober 1818 wurden die notwendigen Entscheide gefällt. Am
ersten Tag dieses Monats schrieben die «deutschen Burschen in Freiburg»
— federführend war Peter Kaiser — an den Burschenschaftstag in Jena, wo
91. MÜNCH: Erinnerungen, Bd. 1, S. 315.
92. BayHStA MA 7701, f. 25 ff. — Ein Auszug:
«Da habe ich ein heilig Gelübde gelobt, zeitle-
oens zu eifern für kindliche Einfalt, frommen
slauben, ehrwürdige Sitte, löblichen Brauch,
anständige Tracht, heilige Muttersprache, alte,
deutsche Zucht, für freies Wort und Werk,
öffentliches Leben, Rede und Redlichkeit, Ehr-
lichkeit und Wahrlichkeit, für Recht und Wahr-
heit, Verfassung und Reich». — Vgl. auch
WENTZCKE: Freiburger Burschenschaft,
5.11 ff, 14 ff, 35 ff.
93. BayHStA MA 1051.
94. O0. OPPERMANN: Burschenschaftliche
Bewegung in Freiburg, 5. 171.
Brief Peter Kaisers im Namen «aller
deutschen Burschen Freiburgs»
vom 1. Oktober 1818 an den be-
kannten Burschenschafter Carl
Hermann Scheidler (1795—1866),
der die Freiburger auf dem Bur-
schenschaftstag_in Jena vertreten
und besonders die Frage der Auf-
nahme «Nichtdeutscher» in die
Burschenschaft anschneiden sollte.