haupt sei Peter Kaiser der einzige Bewerber, «folglich der Beste»! Die
katholische Universität Freiburg im Breisgau war damals, soweit man das
auf die Studentenschaft aus Mittel- und Norddeutschland bezieht, über-
aus schwach besucht.”° Sie konnte jedoch ab etwa 1818/1819 die Frequenz
beträchtlich steigern und damals ihren bedeutenden Ruf begründen. Die
Universität zog gerade dank ihrer Liberalität zahlreiche Studenten aus den
katholischen Landesteilen der Schweiz an.”
Als Ordinarius für Weltgeschichte lehrte seit 1798 Karl von Rotteck, der
Inbegriff des «politischen Professors» und einer der letzten Vertreter einer
rationalistischen Geschichtsschreibung. Seine neunbändige «Allgemeine
Geschichte vom Anfang der historischen Kenntniss bis auf unsere Zeiten»
(1811/27) fand im katholischen, dem Liberalismus zuneigenden Bürger-
tum des deutschen Südwestens ungemeine Verbreitung. Das von Rotteck
zusammen mit Karl Theodor Welcker”* herausgegebene «Staats-Lexicon»
(1834/43), eine vielbändige Enzyklopädie der Staatswissenschaften, in
welcher sie «die Kodifizierung der staats- und rechtspolitischen Anschau-
ungen des vormärzlichen südwestdeutschen Liberalismus mit seinem
vernunfts- und naturrechtlichen Einschlag» unternahmen,”®* wurde zum
Standardwerk und zum politischen Lehrbuch des Frühliberalismus.”
1818 schliesslich übernahm Rotteck den Lehrstuhl für «Vernunftsrecht
und Staatswissenschaften» und trug massgeblich zum Ansehen der juri-
stischen Fakultät der Universität bei. Peter Kaiser war Schüler Rottecks.”
In Freiburg und Tübingen hatte auch der spätere Landvogt Johann Michael
Menzinger nach 1809 die Rechtswissenschaften studiert.
Schon im Frühjahr 1818 war Kaiser, der in jungen Jahren als «ruhig von
Gemüt, besonnen im Urteil, frei von allem exzentrischen und einseitigen
Wesen, offen und treuherzig, ernst und besonders sittlich rein, geachtet
versität kam, den Kaiser also nicht mehr hörte,
vgl. die 1968 erschienene Biographie von H.
MÜLLER-DIETZ. — Hans SCHUMANN:
(Hrsg.): Baden-Württembergische Portraits.
Gestalten aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Stuttgart 1988, Teil I, S. 9—159.
73. Zum «Staats-Lexicon» (15 Bände,
4 Erg.bde. Altona 1834—1849) vgl. H. ZEHNT-
NER: Das Staatslexikon von Rotteck und
Welcker. Jena 1929. — H. BOLDT: Deutsche
Staatslehre im Vormärz. Düsseldorf 1975. —
Theodor SCHIEDER: Vom deutschen Bund
zum deutschen Reich. IN: Gebhardt: Hand-
buch der deutschen Geschichte, Bd. 15 (Mün-
chen, 5. Aufl. 1980), S. 50. — STAATSLEXIKON,
Hrsg. von der Görres-Gesellschaft, Bd. 4 (7. Auf-
lage 1988), Sp. 944 £.
74. Lothar GALL: Liberalismus und «bür-
gerliche Gesellschaft». Zu Charakter und Ent-
wicklung der liberalen Gesellschaft in
Deutschland. IN: Historische Zeitschrift 222
1975), S. 324—356. — Wolfgang SCHIEDER
Hrsg.): Liberalismus in der Gesellschaft des
deutschen Vormärz. Göttingen 1983. — Dieter
LANGEWIESCHE: Liberalismus in Deutsch-
and. Frankfurt/Main 1988. — Zur Situation in
3aden auch Lothar GALL: Der Liberalismus als
‚egierende Partei. Das Grossherzogtum zwi-
;chen Restauration und Reichsgründung.
Wiesbaden 1968. — Aufruhr und Entsagung.
Vormärz 1815—1848 in Baden und Württem-
‚erg. Hrsg. von O. BORST. (=Stuttgarter Sym-
posion 2). Stuttgart 1992.
75. Eine Schilderung der Professoren und
Lehrverhältnisse in Freiburg findet sich in
einem Schreiben des Studenten Perleb an Carl
Bader, Freiburg, 23./27. Mai 1819. — BayHStA
MA 7717/71, £ 18—19.
Karl von Rotteck