zeldkirch Den Kindertod akzeptierte man damals als etwas Natürliches, er galt
gleichsam als ein Tribut an das Fortleben des Geschlechtes.® Dennoch
können wir nur ahnen, welches Leid und welcher Schmerz damit verbun-
den war, auf welche Weise solche Heimsuchungen und Schicksalsschläge
bewältigt wurden.
Über die Anfänge Peter Kaisers — wie über seine persönlichen und priva-
ten Verhältnisse überhaupt — ist kaum etwas Verlässliches und Aussage-
kräftiges vorhanden. Die ersten Quellen sind, neben den Maurer Pfarr-
büchern, Zeugnisse aus der Schulzeit, die für Peter Kaiser wie für viele
andere die erste Begegnung mit der ausserhäuslichen Wirklichkeit wurde.
Mit einer anderen Realität, nämlich mit Revolution, Krieg und Umbruch,
wurde er schon als kaum sechsjähriger Knabe konfrontiert, als die franzö-
sischen und die Koalitionstruppen das Rheintal, auch Liechtenstein, mit
Krieg überzogen. Peter Kaiser hat diese Zeit ein halbes Jahrhundert später
in seiner «Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein» geschildert, die
Not und das Entsetzen, das die Menschen erfasste.
Der junge Peter Kaiser besuchte die Unter-Primärschule sowie die Unter-
und Oberabteilung der Oberprimärklasse des Gymnasiums in Feldkirch,”
wo er die Schulbank mit anderen aus Liechtenstein stammenden Schülern
drückte; gleichzeitig etwa — obschon in einer anderen Klasse — mit dem
später bedeutenden, von Kaiser Franz Josef I. geadelten Vorarlberger
Historiker Josef Ritter von Bergmann.® In Feldkirch lernte damals auch der
Sohn des 1809 verstorbenen Landvogtes Franz Xaver Menzinger, Johann
Michael, der von 1833 bis 1861 ebenfalls das Amt des Landvogtes — seit
1848 Landesverweser — ausüben und dadurch mit dem politisch anders
denkenden Peter Kaiser zusammenprallen sollte.” Unter den neun Schü-
lern, die mit dem Liechtensteiner zusammen die Oberabteilung der Ober-
6. STADLER: Pestalozzi, S. 32. — Vgl. Philipp
ARIES, der sich etwa in seiner «Geschichte der
Kindheit» und in der «Geschichte des Todes»
mit den Phänomenen der Mentalitätsgeschich-
te und deren kulturellen Konsequenzen be-
fasste. — Zum Tod vgl. auch die demographi-
schen Arbeiten von Arthur E. IMHOF, neu-
estens sein Werk «Ars moriendi». Die Kunst
des Sterbens — einst und jetzt. Wien 1991.
7. Zu Feldkirch und Vorarlberg in der na-
poleonischen Zeit und während der bayeri-
schen Besetzung 1806—1814 vgl. Benedikt BIL-
GERI: Geschichte Vorarlbergs, Bd. 4. Wien
1982, S. 205—243. — Karl Heinz BURMEISTER:
Geschichte Vorarlbergs, S. 145 ff. — Zum Feld-
kircher Schulwesen um 1800 vgl. Karl Heinz
BURMEISTER: Geschichte der Stadt Feldkirch,
Bd. 2: Kulturgeschichte bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts. Sigmaringen 1985, S. 257—
261 (mit Literatur), — MALIN: Geschichte
Liechtensteins 1800—1815, 5. 76 ff.
8. Stadtbibliothek Feldkirch, Palais Liech-
‚enstein. «Liber calculorum» des Gymnasiums
Feldkirch. Kopien frdl. mitg. von Fürstl. Rat
Robert Allgäuer. — SOMMERAUER: Matricula,
5.93.
9. Johann Michael Menzinger (1792—1877),
;tudierte in Freiburg im Breisgau und Tübin-
zen, 1833—1861 Landvogt (ab 1848 Landesver-
weser). — GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, 5. 47.— Erinnerung an Peter Kaiser,
5. 40. — Zur Familie Menzinger vgl. Moriz:
MENZINGER: Die Menzinger in Liechten-
stein. IN: Moriz Menzinger (1832—1914). Hrsg.
v.R.Rheinberger / N. W. Hasler. Konstanz 1986,
3. 118—138.