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Würdigung
mus betrachtete er die Erziehung als Mittel, Gesellschaft und Politik refor-
mieren zu können, als Romantiker wandte er sich der Geschichte zu, der
eine grosse Bedeutung für die Gegenwartskritik beigemessen wurde.
Auch in Kaisers Hauptwerk, der «Geschichte des Fürstenthums Liechten-
stein», wurde die Gegenwart am Bild einer idealisierten geschichtlichen
Gesellschaft gemessen. Insgesamt ist der politische, auf den Ausgleich der
Kräfte bedachte Peter Kaiser als «ein Repräsentant der liberalen Bewe-
gungskräfte seiner Zeit»”* zu betrachten. Er zeigt sich als aufgeklärter
liberaler Katholik mit konservativen Zügen, wenn er in seinem histori-
schen Hauptwerk 1847 die unveränderliche und ewige Natur der drei
gesellschaftlichen Grundbedingungen des christlich zivilisierten
Gemeinwesens — Heiligkeit des Besitzes, Heiligkeit der Familie, der sich
selbstbestimmende und selbstgenügende Mensch als Ebenbild Gottes
(Glauben) — herausstreicht.*? Nicht die Erhaltung schadhaft gewordener
Institutionen, Vorrechte und Vorurteile entspreche dem «wahren konser-
vativen Prinzip», sondern die Bewahrung und der Fortbau dieser drei
gesellschaftlichen Fundamente.
Sein geschichtliches Hauptwerk, welches der Historiker Volker Press ein-
gehend untersucht und gewertet hat, zeigt Peter Kaisers Geschichtsbild
und grundsätzliche Standpunkte zu Zeitfragen und zum Fürstentum
Liechtenstein im besonderen auf. Er idealisierte die Welt des mittelalterli-
chen und frühneuzeitlichen deutschen Reiches und die historische Land-
ammannverfassung Liechtensteins und beklagte den Niedergang in der
neuzeitlichen Geschichte?" Durchgehend ist die starke Kritik am büro-
kratischen Staatsabsolutismus, an der Beamtenwillkür, die Kritik am Adel,
dessen Pflicht die Rechtswahrung sein sollte, und an seinem wirklichen
oder vermeintlichen Eigennutz. Im Mittelpunkt dagegen steht das Volk als
504. LANGEWIESCHE: P. Kaiser als Politi-
ker, S. 52.
505. KAISER: Geschichte des Fürstenthums
Liechtenstein, hrsg. v. A. Brunhart, Bd. 1, S. 511.
506. PRESS: P. Kaiser und die Entdeckung
des liechtensteinischen Volkes, S. 56 ff. — Vgl.
auch BRUNHART: P. Kaiser und seine
«Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein».
Eine Einführung. In: KAISER: Gesch. d. Für-
stenthums Liechtenstein, hrsg. v. A. Brunhart,
Bd. 1, S. I-XXXII.
507. Vgl. dazu auch KAISER: Andeutungen
über Geist und Wesen der Geschichte.