Volltext: Peter Kaiser

Die Geschichts- 
wissenschaft 
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neueren Geschichte.“ Niebuhr brach der historisch-kritischen Methode 
Bahn, nämlich der systematischen Sammlung und kritischen Prüfung der 
Quellen. Der weit einflussreichere Ranke — ursprünglich Theologe und 
Philologe, dann ein grosser Geschichtsschreiber — befasste sich vornehm- 
lich mit der politischen Geschichte, mit den Staaten, der Kirche und den 
Institutionen im europäischen Rahmen und verfasste dank einer überaus 
beeindruckenden Schaffenskraft ein riesiges Oeuvre. Diese Gelehrten 
haben auf ihren Gebieten eine überragende zeitgenössische Bedeutung 
gewonnen und bis in die Gegenwart nachgewirkt. Ihre Werke haben Peter 
Kaiser — dass er sie benutzt hat, geht auch aus den Ausleihelisten der 
Bibliothek der Bündner Geschichtsforschenden Gesellschaft hervor*** — 
nachweislich beeinflusst, in erster Linie Hegel im geschichtstheoretischen 
Bereich, Niebuhr bei den rätischen und frühmittelalterlichen Forschun- 
gen, Savigny auf dem Feld der Rechtsgeschichte. 
In der Schweiz wird die Umkehr mit den «Geschichten Schweizerischer 
Eidgenossenschaft» (1786/1808) markiert, in welchen der Schaffhauser 
Johannes von Müller die Schweizergeschichte als Heldengeschichte in 
epischer Breite quellennah und lebendig darstellte. Das Werk erreichte 
eine ungemeine Wirkung im politisch-ideellen und auch im historiogra- 
phischen Bereich. Eine ganze Reihe von Historikern setzten die bis zum 
Schwabenkrieg reichenden Schilderungen Müllers fort.“ Die Geschichte 
gewann breites Interesse, das populäre und vielgelesene Geschichts- 
schreiber wie etwa Heinrich Zschokke zu befriedigen suchten. 
Die akademischen Verhältnisse in der Schweiz allerdings waren mehr als 
unbefriedigend. Basel, damals die einzige Schweizer Universität, befand 
sich auf einem Tiefpunkt, «war unter der Ungunst der Zeit ermattet»** und 
vermochte das vorhandene Defizit an Ausbildungsmöglichkeiten für 
443. Zu Savigny (1779—1861), Hegel (1770— 
1831), Niebuhr (1776—1831) und Ranke 
1795—1886) und der Bedeutung dieser Perso- 
nen vgl. die Angaben und die weiterführende 
Literatur in den einschlägigen Lexika. — 
STAATSLEXIKON. Hg. v. d. Görres-Gesell- 
schaft. Bde. II, Sp. 1217 ff.; IV, 1002 ff. — NIP- 
PERDEY: Deutsche Geschichte 1800—1866, 
5.513 f. — SCHNABEL: Deutsche Geschichte 
im 19. Jahrhundert, Bd. 5: Die Erfahrungswis- 
senschaften. — Zu Niebuhr vgl. auch Eduard 
VISCHER: B. G. Niebuhr in den Augen eines 
Berner Patriziers. IN: Historische Zeitschrift 
250 (1990), S. 579—594, 
444. Staatsarchiv Graubünden, Sign. B 1674: 
Akten der Geschichtsforschenden Gesell- 
schaft. 
445. Zu Johannes von Müller (1752—1809) 
vgl. FELLER/BONJOUR: Geschichtsschrei- 
bung, Bd. 2, S. 545—569 mit umfangreichen 
Literaturangaben. — Zur wissenschaftlichen 
Einordnung Müllers vgl. Michael GOTTLIEB: 
Geschichtsschreibung zwischen Aufklärung 
und Historismus. J. v. Müller und EC. Schlos- 
ser. Frankfurt a. M. 1989. 
446. R. FELLER/E. BONJOUR: Geschichts- 
schreibung, Bd. 2, S. 575. — Zur Situation der 
Geschichtsforschung in der Schweiz in der 
ersten Hälfte des 19. Jahrhundert neuerdings 
auch Peter STADLER: Geschichtswissenschaft- 
liche Organisationsformen in der Schweiz 
1815—1848. IN: Schweizerische Zeitschrift für 
Geschichte 41 (1991), S. 181—186, S. 183: 
obwohl Basel die einzige Universität war, blieb 
ihre Bedeutung für die Geschichtswissenschaft 
«die ganze Zeit über eher bescheiden». 
447. Frederic von MÜLINEN: Die erste 
schweizerische geschichtsforschende Gesell- 
schaft 1811—1858. (SA aus Berner Zeitschrift 
für Geschichte und Heimatkunde, Nr. 3/1961).
	        

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