An meine
Landsleute
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Unsere Aufgabe muß sein, mitten in den Stürmen, die um uns toben, die
Ruhe zu erhalten und nie von der Bahn des Rechts abzuweichen. Wo kein
Gesetz und Recht geachtet ist, da ist Willkür, Gewalt und Tirannei.
Wir können unsern Zustand nicht wesentlich verbessern, wenn wir uns
an einen größern Staat anschließen, sobald uns das allgemeine deutsche
Bürgerrecht und der freie Verkehr gesichert ist. Wir müssen trachten,
unser Glück, uns selber zu verdanken; der geht immer am sichersten, der
sich auf seine Kraft verläßt. Auch ein kleines Völklein, wenn es treu
zusammenhält, vermag viel und macht sich wohlgefällig vor Gott und
den Menschen.
Man sagt: Die kleinen deutschen Staaten sollen größern einverleibt wer:
den. Allein das kann nicht geschehen, wenn die kleinern Staaten nicht
wollen. Eine freie, einfache bürgerliche Ordnung wird uns der Fürst
gewähren und wenn er die Treue sicht, die man ihm beweist, wird er nicht
ermangeln, dieselbe zu achten und thatsächliche Beweise zu geben, wie
erfreulich ihm dies ist und sein Herz wird gerührt sein.
Dabei muß das Land streben, in seiner Verwaltung und Einrichtung
unabhängig zu sein, soweit dies die allgemeine deutsche Verfassung
zuläßt. Die Verpflichtungen, die wir gegen Deutschland haben, müssen
wirgewissenhafterfüllen, weil wir nur so unsere Selbständigkeit erhalten
können. Wäre es aber der Fall, daß diese Selbständigkeit größere Opfer
von uns verlangte, als wir zu tragen im Stande sind, so wird der Fürst mit
seinem Vermögen im Lande die nöthigen Zuschüsse darreichen. Wäre
dies aber nicht, was keineswegs anzunehmen ist, so ständen dem Lande
immer noch alle gesetzlichen und rechtlichen Mittel offen, um aus seiner
übeln Lage zu kommen.
Wenn ich alles genau betrachte und überlege, so ist, ich muß es wieder-
hohlen, das Beste für uns, daß wir die gesetzliche Ruhe um jeden Preis
aufrecht erhalten und daß alle gutgesinnten, verständigen und vaterlän-
disch denkenden Männer das Regierungsamt in Vaduz in diesem Bestre-
ben unterstützen. In Ruhe wollen wir die Dinge abwarten, die die Vorse-
hung über Deutschland verhängt und uns nie in die Angelegenheiten
unserer Nachbarstaaten mischen. Es ist klug und weise, die Nachbar-
schaft uns günstig und gewogen zu erhalten: denn so wird sie uns nützlich
sein, wie sie im entgegengesetzten Falle uns großen Nachtheil zufügen
könnte. Wir dürfen nicht so leicht auf deutsche Hülfe pochen; denn sie ist
ferne und könnte uns theuer zu stehen kommen.
Wenn wir unsern Vortheil recht verstehen, können wir ein Völklein vor
stellen, das Niemand gefährlich ist, aber doch Allen Achtung abnöt