Vertassungs-
4iskussionen
— «ein Nachhall von dem, was in den übrigen deutschen Staaten verlangt
worden» sei.“ Am 7. April beantwortete Alois II. die beiden Adressen mit
wichtigen Zugeständnissen, etwa der Wahl der Volksvertretung, der Auf-
hebung des lange bekämpften Novalzehnten und der Erklärung von Zoll
und Weggeld zu Staatseinnahmen. Die Forderungen der Märzausschüsse
waren damit jedoch bei weitem nicht erfüllt, die Unruhen hielten an.1®
Nach der Beratung der Zugeständnisse des Fürsten entwarf Peter Kaiser
namens der Landesausschüsse eine dritte Petition, in welcher er alle im
{ürstlichen Erlass vom 7. April nicht berührten Forderungspunkte wieder-
holte und begründete. Liechtenstein sei ein Bestandteil des Deutschen
Bundes, nicht ein Anhängsel Österreichs; das Volk wolle «eigene oder all-
gemeine deutsche, nicht österreichische Gesetze in allen Beziehungen
des öffentlichen Lebens».“* Im Mai schliesslich dehnte der Landesfürst
seine Zugeständnisse aus.
Trotzdem herrschte in Liechtenstein weiterhin eine von Opposition
geprägte Grundstimmung. Die Revolution lief zwar vergleichsweise fried-
lich ab, sie hatte durchaus Erfolge vorzuweisen. Am 27. Juli 1848 schliess-
lich wurde das Gremium für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung
bestimmt. Unter den fünf Personen befanden sich Karl Schädler, ein politi-
scher Gefährte Kaisers, und Johann Ferdinand Wolfinger aus Balzers, laut
Landvogt Menzinger «ein Vertrauter des Demagogen Kaiser».“®° Dieser
wirkte im Hintergrund bei der liechtensteinischen Verfassungsdiskussion
mit. Seine zwei Verfassungsentwürfe, teilweise «mit bissigen Bemerkun-
zen gegen Beamte und Juristen» versehen,“® wurden durch Gleichge-
sinnte in Liechtenstein verbreitet.“ Menzinger hielt den zweiten, erwei-
terten Verfassungsvorschlag Kaisers für nicht ausführbar. Er sei ausserdem
nichts weniger als «ein Beweis offenbar republikanischer Tendenzen».4%
402. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
‚ensteins 1848—1866, 5. 65 ff.
403. GEIGER: Geschichte Liechtensteins
848—1866, 5. 71 ff.
404. GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, S. 80.
405. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
'ensteins 1848—1866, S. 95. — GEIGER: Politi-
sches Wirken P.Kaisers, S.34f. — Neben
Schädier und Wolfinger sassen die Lehrer
Johann Baptist Vogt aus Balzers und Johann
‚akob Goop aus Eschen und Tierarzt Christoph
Wanger aus Schaan im Verfassungsrat, zusätz-
lich Dr. med. Ludwig Grass, von Amtes wegen
„andvogt Johann Michael Menzinger.
406. GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, S. 97.
407. Der Inhalt wird referiert bei GEIGER:
Geschichte Liechtensteins 1848—1866, 5. 97—
101: Grundsätze waren u.a. Recht und Freiheit
der Bürger, Wiederherstellung demokratischer
Grundlagen, Selbstverwaltung, monarchische
Staatsform, Festhalten am deutschen Staatsver-
band, Exekutive bei Fürst und Volk, direkte
Parlamentswahl, kein absolutes Vetorecht des
Fürsten.
408. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
tensteins 1848—1866, S. 101. — Die fürstlichen
’rärogativen sind immer wieder in die Diskus-
jion geraten, etwa durch den bedeutenden
‚jechtensteinischen Politiker Wilhelm Beck in
den Auseinandersetzungen um die Verfassung
von 1921. Auch in jüngster Zeit sind die von
Peter Kaiser und seinen Gefährten diskutierten
Fragen um das Verhältnis zwischen Monarchie
und Demokratie, die Form der Monarchie, ihre
Vorrechte, die Volksrechte auch, zunehmend
wieder angesprochen worden.