nruhen 1848
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schweizerische Geschäftsträger in Wien der Regierung berichtet habe, der
Fürst von Liechtenstein befinde «sich gegenwärtig auf seinen Besitzun-
gen» und somit könne der Zweck der Reise «dermalen wohl nicht erreicht
werden». Die drei Deputierten reisten dann gegen den Willen des Für-
sten, der sie lange hingehalten hatte, am 11. November 1840 nach Wien ab,
wo sie ihre Petition — im Kanzleijargon ein «ziemlich nach Demagogie
athmendes Memoire»*” — vorlegten. Peter Kaiser trat ausserdem bei
Staatskanzler Klemens Metternich gleichzeitig für das Kloster Disentis
ein. Der Katalog der liechtensteinischen Delegation umfasste verschie-
dene Wünsche hinsichtlich Zehnt, Fronen, Zoll, Militärkontingent, Han-
dels- und Schulsachen, Pfarrbesetzung durch eigene Geistliche, Reorga-
nisation von Verwaltungsteilen sowie eine bessere Repräsentation des
Volkes.“® Die Deputation erreichte jedoch wenig und kehrte anfangs
Dezember nach Liechtenstein zurück. Peter Kaiser selbst galt danach in
Wien als ein Unruhestifter. 1842 sorgte man sich über sein «nicht ganz
ruhiges Verhalten», 1847 verdächtigte man ihn als «Demagogen», weil er
Domanialgut und Regalien des Landesfürsten anzweifelte und an alte
Rechte des liechtensteinischen Volkes erinnerte.?*
Das Revolutionsjahr 1848 ist auch in Liechtenstein ein Jahr des Aufbruchs
and markiert den Beginn einer neuen Politik. Ende 1847 war Peter Kaisers
«Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein» erschienen. Sie wies auf die
politischen Rechte hin, die im beginnenden 19. Jahrhundert verloren
gegangen waren, und stellte den herrschenden Zuständen und Personen
ein negatives Zeugnis aus. Seine Kritik an den Zuständen der Gegenwart
und das gleichzeitig ausgesprochene Lob vergangener Zeiten machten die
drückende Situation bewusster und liessen die Bereitschaft und den Wil-
len, Änderungen und Verbesserungen herbeizuführen, stärker und allge-
391. Staatsarchiv Graubünden (Chur), Sign.
X11.20.C,8: Akten und Korrespondenzen Peter
Kaiser, Zuschrift vom 5. November 1840; Schul-
rat an Posthalter Wolfinger in Balzers, dat.
5. November 1840.
392. Zit. nach ALLGÄUER: Kaiser, 5. 45. —
Zu dieser Deputation nach Wien und Kaisers
Zeteiligung nun auch Peter GEIGER: Politi-
sches Wirken Peter Kaisers und Nachwirkun-
zen im 20. Jahrhundert. IN: GEIGER: P. Kaiser,
5.27 ff, bes. 5.32.
393. LLA Materialien Peter Kaiser: Memoire
Peter Kaisers betr. die «Bittschrift, worin (der
Fürst) um Überlassung des Zollertrages an das
Land zu Verwendung für gemein nützige
Zwecke gebeten» wurde; im Anhang ein Brief
Kaisers, dat. Chur, 30. (September) 1843. — In
diesem Papier geht Kaiser mit den fürstlichen
Ansprüchen scharf und mit historischen Argu-
menten ins Gericht. Auch müsse sich der Fürst
wenn er gerecht sein wolle, nicht als der Fürst
von Liechtenstein, sondern als der «Fürst von
dem armen Eschnerberger und Vaduzer
Ländle» betrachten. — Zur Sache vgl. QUADE-
RER: Geschichte Liechtensteins 1815—1848,
5. 107 ff. — GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, S. 45.
394. GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, S. 45.
395. Die folgenden Ausführungen zu Peter
Kaiser und den Jahren 1848/49 folgen in erster
uinie GEIGER: Geschichte Liechtensteins
1848—1866, und der Broschüre: Erinnerung an
Deter Kaiser und Karl Schädler. Zu Kaisers
Rolle während des Jahres 1848 nun P. GEIGER:
Politisches Wirken Peter Kaisers, IN: GEIGER:
P. Kaiser, 5, 32 ff.
396. Zit. nach GEIGER: Geschichte Liech-
tensteins 1848—1866, S. 57 £.