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"Ätigkeit
Die erwähnte Vereinigung der konfessionell geführten Kantonsschulen
war vom Grossen Rat des Kantons Graubünden am 26. Juni 1850 beschlos-
sen worden, mit deutlicher Mehrheit, gegen den Willen der meisten
katholischen Grossräte und trotz des Einspruchs des Churer Bischofs
Kaspar von Carl.“*? Peter Kaiser blieb T.ehrer an der protestantisch domi-
nierten Schule und wurde zum Vizerektor ernannt.”° Er musste damals
nur wenige Unterrichtsstunden erteilen, hatte aber die Gesamtaufsicht
inne, die ihm «sehr lästig» war.
Kaiser bekleidete das Vizerektorat bis zu seinem Tod 1864, ein Beleg dafür,
dass Kaiser angesichts der konfessionellen Verhältnisse zweifellos einen
mässigenden Einfluss ausgeübt hat”? und schliesslich auch von der
Dischöflichen Kurie akzeptiert wurde. Neben der Arbeit als Vizerektor
dozierte Peter Kaiser Geschichte, Deutsch, Lateinisch, Italienisch und
Methodik und blieb «derselbe treue, gewissenhafte Lehrer, dem die sittli-
che und geistige Förderung der Jugend höchster Lebenszweck war».®®
und der sich durch Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit auszeichnete,
Zusammen mit dem Pädagogen und reformierten Pfarrer Otto Carisch**
war Kaiser Berater und Mitarbeiter in wichtigen Geschäften der Volks-
schulkommission, welcher die Leitung des Bündner Volksschulwesens
unterstand. Die Lehrmittel für diese Schulen wurden von der «Schul-
dücherkommission» ausgearbeitet, die Peter Kaiser präsidierte. Er selbst
verfasste 1852 die «Graubündnerischen Geschichten, erzählt für die refor-
mirten Volksschulen», ein flüssig geschriebenes und leicht lesbares
Werk, in das er viele seiner Forschungsergebnisse über die rätische und
bündnerische Geschichte einflocht. Dieses Buch, geschrieben im Auftrag
der offiziellen Stellen, ist ausserdem ein Beleg dafür, welche tolerante und
vorurteilsfreie Denkart Kaiser charakterisierte, welcher Respekt ihm
348. Zur Vereinigung der beiden konfessio-
aellen Schulen siehe BAZZIGHER: Kantons-
schule. — MICHEL: Kantonsschule.
349. Laut KIND: Kaiser, $. 23, hat Peter Kai-
ser die Vereinigung ungern gesehen. — In der
Aarauer Zeit zumindest war Kaiser noch für
eine Schule unter der Aufsicht des Staates
gewesen, die von «keinen Lokal- oder Particu-
.arinteressen abhängig» ist. Vgl. Programm der
Aargauischen Kantonsschule 1831; zit. nach
KOLLER: Katholisches Gymnasium, S. 391,
Anm. 202. — COLLENBERG: de Latour, 5. 143,
zitiert aus einem Brief Kaisers von 1842 an de
Latour: «Man soll der geistlichen Behörde die
Oberaufsicht in ihrem Gebiet lassen, die ihr
gebührt; alles andere aber soll unbedingt dem
Schulrath überlassen sein und ich sage dies
nicht aus Misstrauen gegen die Curie, sondern
zum Frommen der Sache». — Der Brief
gedruckt bei MÜLLER: Charakteristik, 5. 85—
89, das Zitat S. 86.
350. Staatsarchiv Graubünden (Chur), Sign.
XIL20.C,8,
351. Peter Kaiser an Rudolf Rauchenstein,
St. Luzi, 10. März 1850; Staatsarchiv Aarau:
Nachlass Rudolf Rauchenstein, Mappe I/K.
352. BUNDI: Kaiser, 5. 149.
353. KIND: Kaiser, 5. 24; zit. nach «Zur Erin-
nerung an Hrn. Prof. Peter Kaiser».
354. 1789—1858, von Sarn am Heinzenberg
Domleschg). — Biographisches bei ROEDEL:
Pestalozzi und Graubünden, 5. 204 ff. und im
77. Jahresbericht der Historisch-antiquari-
schen Gesellschaft Graubündens (Chur 1948),
5. 1 ff. — Vgl. Christian HATZ: Eine Pestalozzi-
'eier vor hundert Jahren (1846) in Chur. IN:
Bündnerisches Monatsblatt 1946, S. 33—53,
39 ff. — 1994 erscheint eine Autobiographie
von O. Carisch, hg. v. Ursus Brunold.