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Diese Argumentation ist umso interessanter, als in St. Gallen gleichzeitig
von konservativen Kräften die Berufung Kaisers an die dortige katholische
Kantonsschule betrieben wurde. Der Antrag auf eine Anstellung Kai-
sers, die von der Behörde selbst und nicht von Kaiser ausging, wurde
jedoch mit vier gegen drei Stimmen abgelehnt. Daraufhin erklärte Pfarrer
Josef Höfliger, Mitglied des St. Galler Erziehungsrates, Peter Kaiser die
Gründe, die zu diesem Resultat geführt hatten. Der Grund liege nicht im
ominösen und von konservativen Kreisen als negativ empfundenen Auf-
satz Kaisers «Über Geist und Wesen der Geschichte», veröffentlicht 1830
im Programm der Aargauer Kantonsschule. Er selbst, Höfliger, sowie der
Präsident des Erziehungsrates, Carl Johann Greith, ein politischer Führer
der St. Galler Konservativen und nachmaliger Bischof des Bistums St. Gal-
len,” hätten Kaisers Aufsatz gelesen, der für die Nichtwahl «aber sicher-
lich nicht» Grund gewesen sei. Den Aufsatz könne man Kaiser wirklich
nicht zum Vorwurf machen. Er sei von ihm in seiner Funktion als «Rektor
einer paritätischen Schule» vor zehn Jahren geschrieben worden, und
spreche zudem nicht Kaisers Glauben, sondern seine «philosophischen
Ansichten über Geschichte» aus. Höfliger und Greith hätten im Gegenteil
für Kaiser gesprochen und votiert — ein Beleg dafür, dass Kaiser den
gemässigten katholisch-konservativen Kräften in St.Gallen willkommen
gewesen wäre, gleichzeitig jedoch von den kirchlich-kurialen Kräften in
Chur abgelehnt wurde. Es existiere, meinte Höfliger, «ein circulus vitio-
sus». In St.Gallen höre man, dass man Kaisers Rechtgläubigkeit bei der
geistlichen Behörde in Chur misstraue, und in Chur werde er nicht
gewählt, weil man in St. Gallen seine Rechtgläubigkeit in Zweifel gezogen
habe! Kaiser sei Höfliger und Greith von Leuten aus dem Aargau für eine
Professur in St. Gallen «auf das wärmste» empfohlen worden.??7 Diese Per-
335. Dazu das Schreiben des Pfarrers Josef
Höfliger an Peter Kaiser, St. Gallen, 3. Dezem-
der 1842; Staatsarchiv Graubünden, Sign.
XI.20.C,8.
336. Arthur BRUNHART: Eine Freundschaft
über den Bodensee. Briefe zwischen Joseph
von Lassberg und Carl Johann Greith. Ein Bei-
trag zur schweizerisch-deutschen Gelehrten-
geschichte im 19. Jahrhundert. IN: Schriften
des Vereins für Geschichte des Bodensees 103
{1985), S. 107—163; 104 (1986), S. 123—162. —
Arthur BRUNHART: Carl Johann Greith und
der Kreis um Joseph Görres. IN: Kirche, Staat
und kath. Wissenschaft in der Neuzeit. Fest
Schrift für Heribert Raab. Paderborn 1988,
S. 299—326.
337. Von Präsident Schmitt und Oberrichter
Baldinger in Baden.
338. Meint Josef Anton Henne, 1798—1870,
studierte in Freiburg i. Br. und war 1822 Lehrer
bei Fellenberg, in St.Gallen Stifts- und Staatsar-
chivar, 1834—1841 Lehrer für Geschichte und
Philosophie in St.Gallen. Radikaler Politiker
and Publizist. — Vgl. seine Schrift: Hennes Ver-
;reibung von der katholischen Knabenschule
in St. Gallen am 31. August 1841, durch den
Greith’schen Erziehungsrat. St. Gallen 1841.
339. Archiv der Familie Rheinberger,
Schreiben von Rentmeister Johann Peter
Rheinberger an seinen Sohn David, dat. 5. Mai
1843