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ektorat der Förderung des Volksschulwesens.*®* Zur Frage: «In welchen Beziehun-
gen könnte die neue Volksschule ihre Aufgabe nicht erfüllen oder auf
Abwege geraten?», gestellt von der Schweizerischen Gemeinnützigen
Gesellschaft über Erziehungswesen, Gewerbefleiss und Armenpflege,
und zu den dazu eingegangenen Arbeiten wurde Peter Kaiser als Experte
zugezogen. Sein Bericht von 1850 ist die Auseinandersetzung eines erfah-
renen Praktikers mit den neuen Strömungen, Hoffnungen und Enttäu-
schungen der noch jungen Volksschule,*%
Im Oktober 1837 schon ernannte der Schulrat, präsidiert vom liberalen
Alois de Latour,” Peter Kaiser zum zweiten Rektor des Gymnasiums als
Nachfolger von Johannes Probst, welcher in der Folge «spiritus rector» der
Opposition gegen Kaiser wurde.“ Das Rektorat war in den damals ideo-
‚ogisch aufgewühlten Zeiten, als insbesondere die Kontrolle über das
Erziehungswesen zwischen Staat und Kirche gerade in paritätischen Kan-
tonen wie etwa St. Gallen und Graubünden hart umkämpft war, eine über-
aus schwierige Aufgabe.”® Die mangelhaften finanziellen Mittel der
Schule, Peter Kaisers Ausländerstatus und Differenzen mit Lehrern
erschwerten die Aufgabe zusätzlich.” Der Umstand ausserdem, dass die
katholische Kantonsschule Disentis gegen den Willen des Bischofs, unter
dessen Leitung eine solche Schule in St. Luzi Chur schon existierte, errich-
tet worden war, sorgte für beträchtliche Spannungen mit der bischöflichen
Kurie, welche Kaiser in verschiedener Hinsicht behinderte.? Mit unzu-
reichenden Mitteln, wie der Bündner Historiker Friedrich Pieth aus-
Ührt,”? «musste er die Schule erhalten. Für eine geringe Besoldung
erteilte er eine grosse Zahl von Unterrichtsstunden, half aus, wo es an
geeigneten Lehrmitteln gebrach. Dabei wurde ihm im geheimen entge-
zengearbeitet. Die bischöfliche Kurie stand der Schule in Disentis ableh-
305. Vgl. Johann Ulrich MAIER: Geschichte
des bündnerischen Volksschulwesens in der
ersten Hälfte des 19. Jh., Chur 1919,
306. BUNDI: Kaiser, 5. 147. — Der Bericht fin-
det sich in den Neuen Verhandlungen der
Schweizerischen Gemeinnützigen Gesell
schaft. 4. Beilage. Chur 1850, S. 91—116.
307. 1805—1875, Landammann des Kreises
Disentis (Cadi), Landrichter und ab 1848 Natio-
nalrat. — Ausführliches über Alois de Latour
5ei Adolf COLLENBERG: Die de Latour von
Brigels in der Bündner Politik des 19. Jahrhun-
derts. Ein Beitrag zur Geschichte Graubündens
von 1800—1851 und des aufgeklärten bündne-
rischen liberalen Katholizismus. Bern 1982,
5.87 ff. — MÜLLER: Charakteristik, 5. 67 f.
308. Iso MÜLLER: Johannes Probst. IN:
Schweizerische Kirchenzeitung 1946, 5. 160 £.,
173—175, 185—187; S. 186. — Zu den Disentiser
Lehrern 1833—1842 siehe Iso MÜLLER: Die
Professoren an der katholischen Kantons-
schule in Disentis von 1833—1842. IN: Bündner
Monatsblatt 1971, 5. 1—19.
309. Zu Kaisers Disentiser Zeit vgl. MÜL-
LER: Charakteristik, passim.
310. MÜLLER: Charakteristik, 5. 66 ff.
311. KIND: Kaiser, S. 19.
312. PIETH: Bündnergeschichte, 5. 382 f.
Manuskript Peter Kaisers «über die
Lehrerbildung». Kaiser engagierte
sich in Graubünden stark für eine
gute Ausbildung der Volksschul-
lehrer und leitete auch für liechten-
steinische Lehrer methodisch-di-
daktische Kurse.