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restaurativen Sinne beherrschten Kantone ermöglichte 1848 die Schaf-
fung des Schweizerischen Bundesstaats. Peter Kaiser war durchaus «bür-
gerlich» und «liberal», soweit zwischen den beiden Begriffen eine Affinität
besteht, ja republikanisch gesinnt und den modernen Zeitströmungen
gegenüber aufgeschlossen. Dennoch wurde er nicht zuletzt wegen seiner
Herkunft und Religionszugehörigkeit als «stadtbekannter Römling» und
als «ein von Haus aus dunkler und pfäffischer Geist»*®! verschrieen — ein
geradezu grotesk anmutender Vorwurf, wenn man liest, welche Pläne er
als Student hinsichtlich einer Reformation der katholischen Kirche gehegt
hatte, die fern jeder obskuranten und ultramontanen Idee waren,? und
als welch ein Greuel ihm alles «Pfäffische» und das «Nicht-Priesterliche»
erschien.” Ausserdem hatte Kaiser im Verein mit Rauchenstein und
Abraham Fröhlich mit «ironischen und sarkastischen Tönen» in den aar-
gauischen Verfassungskampf eingegriffen und gegen die radikale Politik
gesprochen.?* Die Agitation der Radikalen gegen die «altliberale und
neuhumanistische Kantonsschule»,*® als deren Exponenten neben
Rudolf Rauchenstein und Abraham Emanuel Fröhlich auch der ehemalige
Rektor Peter Kaiser galt, nahm in der Folge ein bedrohliches Ausmass an.
Sie gipfelte Ende des Jahres 1835 darin, dass Kaiser bei der Neuwahl der
Kantonsschullehrer nicht mehr bestätigt wurde. 1832 schon wurde ihm
öffentlich vorgeworfen, im Unterricht Freiheitskämpfer als «Rebellen» zu
bezeichnen und angesichts der vaterländisch-republikanischen Zeitfra-
gen unwichtige Büchlein über Geist und Wesen der Geschichte drucken
zu lassen. Ehemalige Kantonsschüler, die in Basel studierten, schlugen
sich jedoch für ihren alten Geschichtslehrer Peter Kaiser in die Bresche.
Andere Kantonsschullehrer betonten öffentlich, dass Kaiser sich im
Unterricht bewusst «des Räsonnirens und Politisirens» enthalte. Er suche
281. Neue Zürcher Zeitung Nr. 109 vom
11. November 1835,
282. Vgl. Heribert RAAB: Zur Geschichte
und Bedeutung des Schlagwortes «ultramon-
an» im 18. und frühen 19. Jahrhundert. In:
Historisches Jahrbuch 81 (1962), S. 159—173.
283. Vgl. z.B. Staatsarchiv Graubünden,
Sign. B 2072.6: Briefkonzept Kaisers an Johan-
nes Niederer, Chur, 8. Dezember 1843: Kaiser
lobt in diesem Schreiben den Theologen und
Pädagogen Philipp Nabholz, der ein ausge-
zeichneter Religionslehrer sei. Es sei auch
«keine Spur von jenem pfäffischen Geist in
ihm, der Mücken fängt und Kamele verschlingt
und seit einigen Jahrzehnten sich wieder so
breit unter uns zu machen anfängt». Nabholz
halte gute und würdige Gottesdienste und sei
ein Beispiel der Toleranz und Christusnach-
folge.
284. KOLLER: Katholisches Gymnasium,
5. 376.
285. KOLLER: Katholisches Gymnasium,
5. 385.
286. Zwei Zuschriften an den Aargauischen
Grossen Rath, betreffend die Kantonsschule.
Aarau 1832, S. 7, 11, 14 £. — Über die Aar-
gauische Kantonsschule und die gegen sie
gemachten Angriffe. Aarau 1832, S. 14. —
Beleuchtung der gegen die Aargauische Kan-
tonsschule erhobenen Beschuldigungen. —
0.QO.u.J. (1832). — VISCHER: Rauchenstein und
Heusler, S, 221, Anm. 77.
287. Zit. nach SPIESS: Troxler, S. 604.