Hingegen darf man annehmen, dass der an die Heimat erinnernde
Name und die Lage am Fluss Gründe gewesen sein mögen, dass sich
viele Balzner Auswanderer hier ansiedelten.
Die deutsche Besiedlung schritt rasch voran. Bereits um 1850 war
Guttenberg «zwischen Dubuque und Prairie du Chien die wichtigste
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Stadt am Mississippi». Von 1851 bis 1856 wuchs die Bevölkerung
von knapp 300 auf über 1’500 Personen an. «Aus ihrer alten Heimat
brachten die Deutschen ihre Sprache und ihre Gewohnheiten, und
Guttenberg schien wie ein Stück der alten Welt mitten in die neue ver-
setzt ... Amerikaner waren hier in gewisser Weise <«Fremde>.»“"*
Deutsch war die beherrschende Sprache: Schulunterricht wurde in
deutsch erteilt, 1856 wurde in Guttenberg ein deutscher Turnverein
gegründet, und in den sechziger Jahren erschien der «Mississippi-
Wächter», eine deutschsprachige Wochenzeitung. 1856 stellte ein
Reporter der «Staats-Zeitung» von Dubuque fest: «Die Einwohner von
Guttenberg sind fast ausschliesslich Deutsche, es gibt hier lediglich
vier oder fünf amerikanische Familien.»
Mit dem Bevölkerungswachstum ging der wirtschaftliche Auf-
schwung einher: Zwischen 1851 und 1856 wurden siebzig Neubauten
errichtet, 1858 zählte man gar 47 Baustellen; die Backsteine stammten
aus einer lokalen Ziegelei. Neue Farmen entstanden rund um die
Stadt, der Holzreichtum der Wälder wurde zunächst auf dem Missis-
sippi geflösst, später aber in einer Sägemühle verarbeitet, die zu ihren
Glanzzeiten 250 Arbeiter beschäftigte. 1858 wurden zudem zwei
Schmelzöfen in Betrieb genommen, in denen das in der Nähe von Gut-
tenberg abgebaute Bleivorkommen verhüttet wurde, pro Jahr mehr als
eine Million Tonnen. Bei der Anlegestelle am Fluss entstanden Lager-
häuser und Mühlen, Raddampfer brachten Waren und luden Mehl,
Landwirtschaftsprodukte, Holz und Blei.
Die ersten Liechtensteiner in Guttenberg
Der erste Liechtensteiner, der nach Guttenberg kam, war Leonhard
Biedermann aus Mauren.??® 1822 geboren, hatte er bei seinem Vater
das Zimmermannshandwerk gelernt und danach in Frankreich als
Schreiner gearbeitet. 1849 beantragte er beim Regierungsamt in Va-
duz einen Reisepass nach Amerika, wo er Arbeit zu finden hoffte. Sein
Weg führte ihn über New Orleans den Mississippi hinauf bis Gutten-
berg."" Dass er sich gerade an diesem Ort niederliess, schreibt die
Familienüberlieferung dem Umstand zu, dass die Gegend eine rauhe,
von Tilern durchzogene Hügellandschaft war, die ihn an seine Heimat
Liechtenstein erinnerte.
1852 heiratete Leonhard Biedermann die Deutsche Christina
Kraut, die 1846 zusammen mit ihren Eltern von Württemberg einge-
Liechtensteiner in Amerika 79