Volltext: Nach Amerika!

Bevor die Auswanderer aus Liechtenstein allerdings die Seereise 
antreten konnten, stand ihnen die Fahrt nach Le Havre bevor,'*® eine 
Vergnügungsfahrt, wenn man den Schilderungen der Auswanderungs- 
agenten Glauben schenkte. 
«Ab St. Gallen Mittwoch morgen früh, sogenannter Znüni in Zürich, 
Suppe, Wein, Brod. Ankunft in Basel 12 Uhr 50 Minuten. Mittagessen 
im Schwarzen Bären Aeschevorstadt, Suppe, Wein, 2 Platten Fleisch, 
2 Gemüse. Nach dem Essen geht man auf das Bureau des Herrn Ph. 
Rommel und Cie. um seine Papiere visieren zu lassen und erhält dann 
jede erwachsene Person 1 Flasche französischen Wein, 1 Pfund Brod, 
2 Würste als Unterhalt während der Nacht auf der Eisenbahn. Don- 
nerstag morgen 10 Uhr kommen Sie nach Paris und speisen im Hotel 
de Bäle bei Herrn Keller, einem äusserst zuvorkommenden jungen 
Schaffhauser. Das Mittagessen ist wie in Basel und ebenso das Nacht- 
essen. Da der Havreser Bahnhof fast eine Stunde vom Hotel entfernt 
ist, reisen Sie auf unsere Kosten per Omnibus nach demselben und 
sind dann Freitags morgen 7 Uhr in Havre, wo Sie wieder von unse: 
rem Wirte Herr See im Hotel de la Marine empfangen werden. Frauen 
und Kinder fahren per Omnibus in das nahe Hotel, für das Hand: 
gepäck ist ein besonderer Wagen da. Im Hotel angekommen, nehmen 
Sie Kaffee, worauf Ihnen sehr gute Zimmer mit guten Betten angewie- 
sen werden. In Havre bleiben Sie mit guter Verpflegung wie in Basel 
und Paris bis Samstags Mittag zur Zeit der Einschiffung.»"“* 
Sehr oft versuchten die Auswanderungsagenturen schon bei der 
Fahrt nach Le Havre zu sparen. Für grössere Reisegruppen mieteten 
sie Sonderzüge, und um Hotelkosten zu sparen, liessen sie diese 
während der Nacht durch Frankreich rollen. «Schon von Basel aus 
geht's bereits immer nur bei Nacht», schreibt Johann Gassner aus 
Vaduz, der im Februar 1883 mit seiner Frau und fünf Kindern von 
Vaduz nach Le Havre reiste, «bei Tag kann man in die Hotels (Wirts- 
häuser) hineinsitzen und sein Geld vertrinken».!* Oftmals wurden 
Auswanderer, während sie auf ihre Einschiffung warteten, Opfer skru- 
pelloser Wirte, Lebensmittelverkäufer und falscher Agenten, die ihnen 
beispielsweise Eisenbahnfahrkarten für die Weiterfahrt in Amerika 
verkauften, die sich nach der Ankunft als masslos überzahlt oder gar 
ıngültig erwiesen. '® 
Dann kam der Tag der Einschiffung. «Wer noch niemals Zeuge 
einer Einschiffungsscene gewesen ist, kann nicht genug die Ordnung 
bewundern, welche an den Docks der französischen Steamers der 
Compagnie Generale Transatlantique in Havre herrscht, wenn meh- 
rere hundert Passagiere, worunter zahl- und kinderreiche Familien, 
mit ihrem Gepäck in dem verhältnismässig beschränkten Raum eines 
Schiffes untergebracht werden sollen. Und welche Wünsche und 
Auswanderung im 19. Jahrhundert
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.