sprach zur Gedenkfeier ein Göttinger Literaturwissenschaftler in einer
Weise, die mich aufhorchen liess. Und schlafwandlerisch, wie fast alle
entscheidenden Entschlüsse meines Lebens, geschah der Entschluss,
nach Göttingen zu wechseln.
Im nächsten Herbst fand ich mich, kaum weiss ich wie, in Göttingen
in einem Studentenwohnheim mit einem amerikanischen Zimmerkol-
legen aus Kalifornien. Es stellte sich heraus, dass er Teil eines ziemlich
grossen Kontingents von Studenten des kalifornischen Universitätssy-
stems war. Eine kleine Gruppe aus diesem Kontingent gehörte bald zu
meinem engeren Freundeskreis, freilich auch andere Ausländer, zu
denen ich als Liechtensteiner in Göttingen ebenso gehörte, wie meine
iranischen, ägyptischen und amerikanischen Freunde, die ich nach
und nach bei den wöchentlichen Ausländerabenden der Universität
kennenlernte. Vielleicht begann da der Grund für jenen Versprecher:
Permanent Alien.
Es stellte sich dann heraus, dass es der amerikanische Kreis war,
der, was bis dahin eine normale Studienlaufbahn schien, exzentrisch
verschob. Im zweiten Jahr verdiente ich etwas Geld als Tutor für die
kalifornischen Studenten in der Literaturwissenschaft. So lernte ich
auch den Direktor des kalifornischen Programms kennen, und gele-
gentlich trank man abends ein Bier zusammen. Eines Abends fiel
leicht und wie nebenbei die Frage: «Hütten Sie nicht Lust mal ein Jahr
nach Kalifornien zu gehen?» Ebenso leicht und nebenbei, schlafwand-
lerisch, meine hingeworfene Gegenfrage als Antwort: «Warum nicht ?»
Es hátte dabei bleiben kónnen: spielerisch unverbindliche Konver-
sation beim abendlichen Bier. Aber zwei Wochen spáter kam zu mei-
ner Überraschung und meinem Schrecken ganz ernst die Frage: «San-
ta Barbara oder Riverside ?» Mir waren das unbekannte, exotisch klin-
gende Namen. Meine Freunde sagten einstimmig: Santa Barbara, ich
nickte, und dann stand ich da mit einem ansehnlichen Pack von Papie-
ren und Formularen.
Da war nun ein neuer Schrecken: Erst jetzt wurde mir klar, dass
das ernst war und dass ich kaum Englisch konnte. Im humanistischen
Gymnasium hatte ich Latein, Griechisch und Franzósisch gelernt, aber
kein Englisch. Was tun ? Mit den Formularen konnten mir zwar meine
amerikanischen Freunde helfen, aber irgendwann, und zwar sehr
schnell, musste ich ja die Sprache selber lernen. Also in die Buchhand-
lung. Da kaufte ich das náchstliegende: «Langenscheidts Englisch in
30 Lektionen»; dazu ein Wórterbuch. Es fiel mir auch ein, dass ich vor
kurzem in deutscher Übersetzung James Joyces «Portrát des Künstlers
als junger Mann» gelesen hatte, das aus mehr als einem Grund zu mei-
ner Lieblingslektüre geworden war. Also kaufte ich gleich auch das
englische Original und dazu auch den «Ulysses» vom gleichen Autor
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