Volltext: Nach Amerika!

aus Liechtenstein ereignet hatte. Die Schweizer Polizei wollte oder 
konnte keine Auskünfte geben. Man sagte ihr bloss, dass Alexander an 
lie deutsch-französische Grenze abgeschoben worden war, nämlich in 
3in Auffanglager in Südbaden. Man hatte ihm einen sogenannten Nan 
sen-Pass (für Staatenlose) ausgestellt. 
Anfang 1946 bekam Paula einen Brief von «Ali» (wie sie Alexander 
mmer nannte). Er hatte nach Vaduz geschrieben, und die Mutter hat- 
ce den Brief weitergeleitet, obwohl beide Elternteile gegen eine Hoch- 
zeit waren. Paula erfuhr nie, warum ihr die Mutter den Brief nachge- 
schickt hatte, erklärt es aber heute damit, dass es für sie wohl einfach 
Shrensache gewesen sel. 
Eine Ehrensache, die Folgen hatte: «Zch habe alles in Bewegung 
gesetzt, um nach Frankreich zu fahren, wo Ali in einem Lager für pol- 
nische Flüchtlinge war», erklärt Paula. Für sie gab es keine Zweifel: 
Sie wollte mit Alexander zusammen sein. In Zürich besorgte sie noch 
Eheringe und reiste anschliessend nach La Courtine, wo sich das 
7lüchtlingslager befand. 
Paula war nun die Frau eines Flüchtlings. Es war nicht abzusehen, 
wann sie aus dem Flüchtlingslager entlassen und in welches Land sie 
kommen würden. Alexander, der vor dem Krieg in Warschau und Paris 
Romanistik studiert hatte, unterrichtete Französisch. Auch Paula 
konnte im Lager zeitweise unterrichten. «Manchmal gab es ein Kon- 
zert im Lager», erzählt Paula. «Zch sang dort das Lied von Solveig. Ali 
begleitete mich am Klavier.» Es wurde auch getanzt, obwohl es sehr 
viel weniger Frauen gab im Lager als Männer. «Der katholische Pfar- 
rer», lacht Paula, «tanzte sehr gut.» 
Alexanders Eltern waren in einem Flüchtlingslager in Lindau. Alex- 
ander bekam die Erlaubnis, seine Eltern dort zu besuchen, kurz bevor 
sein Vater starb. 
«Als das Lager in La Courtine aufgelöst wurde», erzählt Paula wei- 
‚er, «ging's mit dem Zug und Schiff nach England.» Sie hatte eine Fehl- 
zeburt erlitten, musste aber dennoch kurz danach die holperige und 
ınangenehme Reise antreten. «In England wurden die Flüchtlinge von 
einem Lager ins andere verschoben», erzählt sie weiter. Für gewisse 
Zeit wurde das Paar gar getrennt, Paula wurde in ein Lager für polni- 
sche Frauen und Kinder gebracht. Sie lieh sich ein Buch über das 
Aquarellieren und fing mit der Malerei an, die sie bis heute betreibt. 
hre ersten Arbeiten halfen dem Paar aus finanziellen Engpässen: Sie 
malte schöne Häuser und verkaufte die Bilder dann an der Tür. Nach- 
dem die Flüchtlingslager 1949 aufgelöst worden waren, wurde ihr 
Mann als Lehrer und Paula als Hauswartin in einer Privatschule für 
;:aubstumme Teenager eingestellt. 
Godilo-Godlevsky 
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