sich als mehr aus, als er wirklich ist (zum Beispiel ein normaler Ver-
käufer nennt sich Manager, oder jemand, der eine Minute lang als
Statist in einem Film zu sehen war, nennt sich Schauspieler). Aber
zuch ganz einfach wegen der grossen Distanzen in Los Angeles ist es
schwierig, regelmässig Freunde zu treffen.»
Andrea Eberle hätte noch allerhand zu erzählen über all das, was
man in L.A. so mitmacht. Zählt sie Für und Wider zusammen, ist sie
nicht immer so ganz sicher, wo sie lieber lebt. Es kommt auf den
Moment an, in dem man sich fragt: «Wenn ich im Moment wählen
könnte, würde ich fast lieber wieder in Liechtenstein wohnen - wegen
der Sozialleistungen, Gehälter, dem Arbeitsmarkt.» Das sagte sie vor
fünf Jahren, heute empfindet sie anders. Ihr ist wohler in L.A., obwohl
sie ihren Job verlieren könnte, wenn er wegrationalisiert wird. Seit sie
im Frühjahr 1991 den ersten Arbeitsplatz gesucht und gefunden hat,
hat sie mehrmals die Stelle gewechselt. Es gibt keine so grosse Arbeits-
olatzsicherheit, wie man es hierzulande noch gewohnt ist. Doch wenn
sie zurückkäme, würde sie vielleicht feststellen, dass sich in dieser
Hinsicht in Europa und Liechtenstein auch einiges ändert.
«Ich habe nie geplant, für längere Zeit hier zu leben, höchstens
zwei Jahre lang, denn ich wollte vor allem die englische Sprache ler-
nen. Nach drei Monaten Schule in L. A. bin ich auf Jobsuche gegangen
und habe bei einem Vorstellungsgespräch einen Mann kennengelernt.
Nach einiger Zeit musste ich mich entschliessen, ob ich wieder zurück
nach Liechtenstein gehen oder mit dem Mann, den ich kennengelernt
hatte, zusammenbleiben wollte. Schliesslich entschied ich mich fürs
Heiraten», erklärt Andrea Eberle.
Was gefällt Andrea Eberle in Kalifornien? «Es gibt natürlich einige
Vorteile. Das Wetter ist meistens wunderschön, nicht so deprimierend
wie bei uns. Zum Skifahren ist es trotzdem nicht weit. Die Lebensmit-
telgeschäfte sind 24 Stunden offen, sonntags kann man zum Friseur
gehen, Kleider und Geschenke einkaufen, wenn man die Woche über
keine Zeit hat. Kulturell ist in Los Angeles viel los. Ausstellungen,
Konzerte etc. Man geht oft ins Restaurant essen, weil es günstig ist,
auch für Familien. Man kann von allen möglichen Restaurants aus-
wählen, spezialisiert zum Beispiel auf argentinische, kubanische, chi-
nesische, japanische, thailändische oder indische Küche.»
In den letzten Jahren wurde in der Region um Liechtenstein eine
ganze Reihe unterschiedlichster Restaurants eröffnet. Zum Beispiel in
Trübbach und Vaduz kann man chinesisch essen, wenn auch nicht so
günstig wie in Los Angeles. Liechtenstein, unser Lebensraum, wird
immer internationaler - auch wenn es noch eine ganze Weile dauern
wird, bis das Land so weit ist wie L.A. Ob dann Andrea Eberle zurück
kommt? Noch bietet Los Angeles mehr Abwechslung und Abenteuer.
Interview und Text:
Pio Schurti. Er hat mit
Andrea Eberle 1993, 1995
und 1998 mehrere
Gespräche geführt.
Persönliche Beiträge