finanziell unterstützten. Das ging so lange gut, bis der Sendero Lumi-
noso (Leuchtender Pfad) seinen Krieg begann. Genau in dem Gebiet, in
dem ich viele Kontakte wegen meiner Exporttätigkeit und wegen der
Hilfsprojekte hatte, war auch der Sendero Luminoso tätig, und so kam
ich bald einmal in den Verdacht, mit dieser Organisation etwas zu tun
zu haben. Das vor allem, weil die Polizei glaubte, dass der Sendero
Luminoso hauptsächlich eine vom Ausland gesteuerte Organisation
sei, und deshalb jeder Ausländer prinzipiell verdächtig war. Als die
Situation immer kritischer wurde, zog ich die Konsequenzen und wan-
derte nach Bolivien aus.
Das war nochmals ein Anfang. Denn von der Millionenstadt Lima
zog ich nach Sajama, ein kleines Dorf an der Grenze zu Chile, vom
feucht-heissen Klima am Meer in eine kalte Gegend auf 4’200 Metern
über Meer. Sajama ist sehr abgelegen. Der nächste Ort mit Strom und
auch das nächste Telefon waren 300 km entfernt. Auch die ökonomi-
sche Situation war nicht zu vergleichen mit Lima. Dort herrschte übe-
rall Armut und Elend, und das ganze Leben war ein Hetzen nach Geld;
hier hatte jeder alles, was er wollte, obwohl das jährliche Pro-Kopf-
Einkommen auch heute noch nicht 150 US-Dollars übersteigt. Aber die
Ansprüche sind eben bescheiden, sehr bescheiden. Die Häuser werden
mindestens zu 95 Prozent aus Materialien gebaut, die in der Gegend
vorhanden sind. Möbel gibt es keine, ausser dem Bett, und das wird
aus Lehmziegeln gemauert. Der Kochherd wird von einem Handwer-
ker gefertigt, der jedes Jahr für ein paar Wochen ins Dorf kommt und
aus einem Fass (und mit den Werkzeugen, die in einem Köfferchen
Platz haben) einen Kochherd für drei Pfannen und mit Bratofen macht.
Es ist unwahrscheinlich, mit wie wenig man leben kann. Sajama ist
das lebende Beispiel dafür, dass das Glück nicht vom Geld abhängig
ist. Aber sind die Leute etwa viel anders als wir? Nein. Sajama kann
man gut mit Balzers vergleichen. Es gibt Leute, die sehr religiös sind,
und andere, die dieses Thema nicht interessiert. Es gibt Leute, die sich
für die Gemeinschaft aufopfern, und solche, die sich immer um die Ar-
beiten für die Gemeinde drücken. Es gibt Leute, die sehr fleissig, und
andere, die im Reden sehr gut sind. Es gibt Leute, mit denen ich mich
stundenlang unterhalten kann, und solche, die eine andere Wellenlän-
ge haben. Einen Unterschied gibt es allerdings: Keiner hat den Ehr
geiz, möglichst mehr Geld zu haben als die anderen. Man hat eben.
soviel man hat, und es reicht.
Jetzt muss ich aber sofort anfügen, dass Sajama kein Paradies ist.
Das spanische Sprichwort «Kleines Dorf, grosse Hölle» bewahrheitet
sich voll und ganz. Es wird gemunkelt und getuschelt, jeder wird kon-
trolliert, und Gerüchte kreisen Tag und Nacht. Diese wachsen sich
dann oft in handfeste Streitereien aus. Dazu kommt der Machismo, der
ll
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