Seit seiner Abreise aus Liechtenstein hatte Josef Kieber seinen An-
gehörigen zu Hause kein einziges Lebenszeichen gegeben. So wusste
er auch nicht, dass er aus der Hinterlassenschaft seines 1857 verstor
benen Vaters etwas Vermögen geerbt hatte, das in der Curandencasse
lag und den Betrag von 234 Gulden und einem Kreuzer ausmachte.
1890 stellte seine Schwester Magdalena beim Landgericht in Vaduz
den Antrag, für Josef Kieber die gerichtliche Todeserklärung einzulei-
ten, damit dieses Vermögen ihr als rechtmässige Erbin zufalle. Das
Gericht gab dem Antrag statt und forderte Kieber über Anschlag an
der Gerichtstafel und über ein Inserat im «Liechtensteiner Volksblatt»
auf, «bis 12. Dezember 1892 vor diesem Gerichte zu erscheinen oder
dieses oder den für ihn ernannten Curator Altvorsteher Elias Öhri bei
No. 1 in Schellenberg von seinem Leben u. Aufenthalte in Kenntnis zu
setzen, widrigenfalls zu seiner Todeserklärung geschritten würde»
Am 5. November erschien der Curator beim Landgericht und gab
an, «dass laut einer brieflichen Mitteilung des Emil Batliner'” aus
Mauren ... Josef Kieber von Schellenberg sich in Guttenberg, Staat
Iowa, Amerika aufhalte; Emil Batliner habe ihn dort selbst diesen
Januar getroffen, ein Mann von 70 Jahren». Das Landgericht ersuchte
daraufhin das k. u. k. Österreichisch-ungarische Consulat in New York,
die Identität dieses Josef Kieber in Guttenberg zu überprüfen. Die Ant-
wort kam vom Konsulat in Chicago, das mitteilte, es sei gelungen,
Josef Kieber zu ermitteln. Er habe zwar weder seinen Geburtstag noch
sein Geburtsjahr nennen können, doch sei seine Identität zweifelsfrei
und könne, falls erforderlich, auch vom Notar und Postmeister James
Schroeder in Guttenberg bezeugt werden. Im weiteren habe Kieber
den Advokaten Dr. Christian Walther aus Bludenz mit der Vertretung
seiner Interessen beauftragt. Das Landgericht gab sich mit dieser Er-
klärung nicht zufrieden und ersuchte das Konsulat in Chicago, präzise-
re Nachforschungen anzustellen und «den angeblichen Josef Kieber
um seine früheren Verhältnisse in der Heimath, Name und Zahl seiner
Geschwister, die Zeit u. Umstände seiner Abreise nach Amerika zu
befragen». So gab denn Josef Kieber am 4. April 1893 vor dem Notar
und zwei Zeugen in Guttenberg folgende Erklärung zu Protokoll: «Zch
bin geboren im Jahr 1824 auf dem Schellenberg, wie ich mich entsinne
zur Pfarrei Bendern im Fürstentum Liechtenstein gehörig, ein Sohn
des im Jahre 1854 verstorbenen Matthias Kieber und der schon im
Jahre 1847 verstorbenen Kreszentia geb. Meier, im Jahre 1852 habe
ich meine Heimat verlassen und bin nach den Vereinigten Staaten von
Amerika ausgewandert. Als Bürger hier dazu verpflichtet habe ich von
1862 bis 1865'in der Vereinigten Staaten Armee während des Rebelli-
onskriegs gedient und beziehe als Verteran eine monatliche Pension
von vier Dollars. Ein eigentliches Handwerk habe ich nicht erlernt
Auswanderung im 19. Jahrhundert