chen. Sie bleibt aber nicht gerne lang am gleichen Platze, verlässt ihre
Arbeit oft viel zu früh, und wenn man sie eben noch neben sich glaub-
te, so kann sie schon weit weg sein, über alles hinweg, auf alles hin-
auf, ohne irgendwelche Rücksicht auf die Kleider, was denn viel
Löcher und Tadel ergibt.
Neben ihr sitzt der grössere Knabe Alois; er ist mägerlich,
schwächlich, etwas zaghaft, furchtsam, aber er ist ein wenig grösser
als das Mädchen. In der Schule lernt er etwas schwer, wird aber ein-
mal sehr schön schreiben und hat auch Fähigkeiten zum Zeichnen, Im
Umgang mit anderen ist er zu empfindlich, leicht beleidigt, weint nur
zu gerne. Sich selbst überlassen aber ist er der zufriedenste Knabe,
schneidet mit seinem Messer allerhand Figürchen zurecht, formt
allerhand Gegenstände aus Lehm und trocknet sie im Ofen oder an der
Sonne. Wenn er etwas von Maschinen sieht, abgebildet oder wirklich
arbeitend, denkt er lange nach über deren Bau und deren Ineinander-
greifen. Er pflanzt gerne, scheut keine Mühe, wenn es zu seiner Lieb-
haberei gehört. Sein Gang ist etwas schleppend, sinnend und die Hän-
de stets im Sack. Man kann neben ihm stehen und ihn anrufen und er
hört es nicht, weil er eben ganz einem Gegenstande seiner Liebhaberei
gehört. Er ist recht gut, aber an Arbeiten, die Ausdauer verlangen,
wird er sich kaum je gewöhnen und es wird alles darauf ankommen,
für ihn den passenden Stand zu finden.
Auf der anderen Seite des Mädchens sitzt der kleinere Knabe Fer-
dinand. Er ist immer fett, gutherzig, gefühlvoll, verträglich und auch
arbeitsam. Er geht noch nicht zur Schule, aber wir hoffen, dass er gut
lernen wird, denn er ist verständig. Zur Zeit, als sein kleines Schwe-
sterchen starb, hatte er grosses Bedauern und weinte noch nach
einem halben Jahre, wenn man davon sprach. Er verspricht oft aus
freiem Antrieb, recht helfen zu wollen, wenn er gross sei, damit wir
nicht mehr so viel zu arbeiten brauchten. Im übrigen ist er selbständi-
ger als sein grösserer Bruder, und wenn ich auf irgendeinem Gange
beide bei mir habe, wird er seinen eigenen Weg gehen, während der
andere nicht aus meinen Fussspuren geht.
Vom Kleinsten ist noch nicht viel zu sagen; wenn es einmal ruhig
sitzen kann, wollen wir auch sein Bild dorthin schicken.»
Elf Jahre, nachdem er sich in Nauvoo niedergelassen hatte, berich-
tet Alois Rheinberger seiner Tante: «Wir fangen an, materiell uns
recht wohl zu finden.» Doch zu dieser Zeit zeichnet sich schon der
kommende Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten ab. Schon
1862 fürchtete Alois, dass ihn das Los zum Kriegsdienst treffen könn-
te!® und er sah sich bereits um einen Ersatzmann um, welcher 200
Thaler für neun Monate Kriegsdienst gefordert hätte. Später, im Jahr
1864, verlangte dann ein solcher Ersatzmann das Vierfache.!*
Rheinberker
Le
Er