harten Arbeitswelt am Triesenberg geprägt. Mit zunehmender zeitli-
cher Distanz verklärten sich diese Erfahrungen. «Ich habe dem Julius
schon oft erzählt, wie wir es früher gehabt haben, wo die Eltern noch
gelebt haben. Winterszeit beim Spinnen haben wir gesungen und hät-
ten mit den Reichsten nicht getauscht.» (9.5. 1912). Die Strapazen der
Arbeitswelt traten gänzlich in den Hintergrund. Im Gedächtnis geblie-
ben waren vielmehr die Eltern, die Geschwister sowie das gemeinsa-
me Singen. Diese durch die Musik erlebte Verbundenheit überwog in
der Erinnerung die Kälte des Winters und die Arbeitsmühsal. Im Ge-
spräch mit ihrem Sohn hielt Karolina diese Bilder wach.
Heimat war aber auch der Ort der Auseinandersetzung und der
Abrechnung. Triesenberg wurde in der Neuen Welt nicht zum gelobten
Land. Karolina differenzierte sehr wohl zwischen dem Triesenberg, an
den sie sich erinnerte, und der von ihren Verwandten erlebten Rea-
lität. Sie riet ihrer Schwester, die Tochter in die Schule nach Balzers zu
schicken, um sie unabhängig von den engen Grenzen des Dorfes zu
machen. Als ihre Schwester in Erbschaftsfragen Probleme mit Ver-
wandten hatte, schrieb Karolina wütend: «Warst dumm genug, dass
du dich so lange abgeschunden hast für eine solche Nation» (30.3.
1891), wobei mit «Nation» die dörfliche Nachbarschaft und Personen-
gemeinschaft gemeint war. Und sie erklärte: «Wir können doch nicht
dort bleiben, denn unter einer solchen Nation Menschen wie sie dort
welche sind, könnten wir doch nicht mehr leben.» (30.3.1891).
Es zeigt sich in den Briefen eine Ambivalenz zwischen dem von den
Geschwistern erfahrenen und mitgeteilten Lebensumfeld und der von
Karolina erinnerten Welt, die zugleich zukünftiger Ort des Wiederse-
hens sein sollte. «Was machen meine anderen Geschwister? und alle
meine Bekannte? Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass
ich euch alle noch einmal sehen werde.» (27. 2. 1893). Heimat war für
Karolina der Ort der Sehnsucht, wobei diese Sehnsucht vor dem Errei-
chen des Begehrten zurückschreckte. Die oftmaligen Reiseankündi-
gungen von Karolina und die Zurücknahmen dieser Versprechen las-
sen die Ambivalenz von Wunsch und Erfüllung deutlich werden.
«Wenn wir einmal gut verkaufen können, haben wir doch noch im
Sinn, Euch noch einmal zu sehen, wenn uns der liebe Gott so lange
gesund bleiben lässt.» (16.2.1897). Da eine Reise nach Triesenberg
mit dem Verkauf des Ersparten und Erwirtschafteten verbunden gewe-
sen wäre und ihr Sohn Julius bereits in Troutdale heimisch geworden
war, zögerte Karolina, die Überfahrt in die alte Heimat zu unterneh-
men. So blieb das Nebeneinander entgegengesetzter Gefühle bestehen.
Immer wieder sprach sie von ihrem Kommen, welches über Jahre hin-
weg im Bereich des Möglichen lag, bis zu dem Zeitpunkt, als ihre kör-
Derliche Verfassung sie allmählich an der Fahrt hinderte. «Ich war vor
Biographische Beiträge