dient worden sei. Seine Liechtenstein-Erfahrungen sind wenig schmei-
chelhaft: «Nicht nur die Portionen sind klein - auch das Denken ist
klein. Todo es carisimo.» Hatte nicht Hermine schon gesagt, sie habe
immer gross gedacht? «Dios vive en Mexico», sagt Hermines Mann.
Boris und Hermine neigen sich einander immer wieder zu, SO, als
seien sie frisch verliebt. Er: «Es ist meine Philosophie, jeden Tag zu
geniessen.» - «Das ist meine Philosophie», erwidert sie. Er lacht: «Sie
ist meine Lehrerin.» «Es gehört zu unserer Lebensphilosophie, jeden
Tag eine gute Tat zu vollbringen», fügt sie an. «Wir meinen das wirk:
lich so, dass jeden Tag jemand etwas zu seinem Glück von uns er-
fährt», ergänzt er.
Sie sind ein auffälliges Paar, Hermine allein kann nicht unbemerkt
bleiben, aber im Restaurant dreht niemand den Kopf nach ihnen um.
«Aus Respekt», belehrt mich Manolo. Die Ringe an ihren Fingern blen-
len mich. Der Adler - Göttervogel und Machtsymbol, auch mexikani-
sches Wappentier - prangt voluminös an ihrem Zeigefinger. Reynolds
hat ihn für sie geschmiedet, Schmuck herzustellen ist sein Hobby. Aus
seinem Atelier stammt auch die Goldkette - «nach Cartier» —, die bis
jetzt verborgen war unter ihrem Kleid. Nur am Hals ist das Glitzern
sichtbar. Er fingert die Kette aus ihrem Decollete; an einer weiteren
Kette, die er dort hervorzaubert, hängt ein grosses goldenes Christus-
gesicht mit einer Dornenkrone aus vielen kleinen Brillanten. Zu guter
Letzt findet sich im Ausschnitt noch eine Korallenkette, die Korallen
habe er selber aus dem Meer gefischt.
«Ich darf nicht mehr sagen, was mir gefallen würde, sonst besorgt
er es mir gleich», jammert Hermine. Ihre Armbanduhr ist eine Gold-
produktion «als Erinnerung an Miramar». Nachdem er sie an ihrem
Handgelenk herumgezeigt hat, schiebt er sie wieder gebieterisch unter
jen Ärmel zurück. Alles Glitzerzeug ist wieder verstaut, damit nie-
mand zu Neid oder zu einem Überfall animiert wird.
Frau Kindle zeigt mir noch ihren Ring mit dem Kindle-Wappen.
Kindle sei ein altes Geschlecht. Der Name erscheine zusammen mit
Marogg als erster in einer Lehensurkunde von 1429 in Triesen.
Sie fühle sich als Liechtensteinerin, sagt Hermine, aber ihr Mann
widerspricht vehement. «Nononono, tu eres Mexicana». Seine Hand
:ätschelt die ihre, die unruhig zuckend, aber auffallend gepflegt, mit
-osalackierten Fingernägeln, neben dem noch halbvollen Teller liegt
Das Kauen bereite ihr Schwierigkeiten, entschuldigt sie ihren man-
zelnden Appetit.
Jnvermittelt beginnt sie zu weinen. Die Rede war auf ihren Lieb-
ingsbruder Florian gekommen, der vor wenigen Jahren gestorben ist.
«Meine Gedanken suchen ihn überall in Triesen, Ich erinnere mich an
unsere Kindheit - er wollte meine Puppe, ich seine Schaukel. Nach
<indle de Contreras Torres
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