Eltern abschieben und von ihnen profitieren wollen. Hier habe ich
mich wieder Kindle genannt. Nun bin ich schon wieder seit dreissig
Jahren in Triesen. «I hett nia fort sölla>.»
Sie sei froh, dass sie so alt sei, sagt Frau Kindle. Wenn es nach ihr
gegangen wäre, hätte sie nur die eine Reise gemacht und wäre schnell)
heimgekehrt. Nie hätte sie wieder in die Staaten zurückkehren wollen.
Die Amerikanerin
Die Rückkehr und das neue Fussfassen in der alten Heimat ist Teil
ihrer Emigrationsbiographie. Um die Leute hier wieder kennenzuler-
nen, trat sie einer Reihe von Vereinen bei. Noch heute ist sie bei der
Sängern, den Samaritern, dem Alpen- und dem Turnverein. Durch die
lange Abwesenheit und die grossen Unterschiede der Lebensweise
blieben die Eindrücke des Dorflebens in der Kindheit und Jugend
besonders unverfälscht erhalten.
«Als ich klein war, ging ich mit den Bauern in die Triesner Heuber-
ge, von der Lawenastrasse aus nach Tuas, Platta, Oberplatta, Münz,
Kolplätzli, auf die Alp Wang; auf Gorn hatte ich 17 Jahre lang eine
Hütte.
Und jetzt, endlich zu Hause, konnte ich nicht mehr bergauf laufen.
In den Staaten habe ich verlernt, zu Fuss zu gehen. Es gab ja auch kei:
ne Möglichkeit, in die Höhe oder auf Berge zu wandern. Das Auto
stand immer vor der Tür, ich ging aus dem Haus, stieg ins Auto, kam
zurück und ging ins Haus. Ich bin nie zu Fuss gegangen. Drei Jahre
lang habe ich geübt, auf die Heuberge zu wandern. Jeden Sonntag um
fünf oder sechs Uhr morgens bin ich losgezogen.
Hier besass ich am Anfang kein Auto mehr. Aber ein Jahr lang habe
ich gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Immer habe ich das Auto
gesucht. Ich kam aus dem Haus oder einem Geschäft und bin er-
schrocken: das Auto! Wo habe ich das Auto parkiert? Zuerst wohnte
ich beim Bruder, dann hatte ich eine Wohnung, dann war ich im Haus
der Schwester. Nun habe ich wieder eine Wohnung im Oberdorf. Das
Schlimmste aber war die Sprache. Ich habe nicht mehr verstanden,
was am Radio geredet wurde. Auch jetzt noch finde ich oft das deut-
sche Wort nicht.»
Zurück in die Vergangenheit
Wenn Frau Kindle von ihrer Kindheit und Jugend erzählt, erscheint
die Vergangenheit im Licht eines jahrzehntelangen Heimwehs. Da ist
einmal der Blick zurück auf das Kind von «Fabriklereltern», das seine
glücklichste Zeit bei den Bauern und ihren Tieren verbrachte, Der bit-
teren Aussichtslosigkeit, sich als Jugendliche eine Existenz in der dör-
flichen Gemeinschaft aufbauen zu können, stand zwar der Aufenthalt
Biographische Beiträge