gehen und ist dann Robert noch, der die Normalschule besucht, bald
10 Jahre alt, der noch am längsten bei uns bleibt. So mit den Kindern
in diesem Land und wir Alten müssen unser Leben fristen so gut wir
künnen und arbeiten bis ins Grab.»'**
Eineinhalb Jahre spáter, inmitten des Ersten Weltkriegs, berichtete
Aline über den angegriffenen Gesundheitszustand ihres Mannes: «Lie-
ber Thomas & Familie! Einige Monate zurück habe ich euch einen
Brief geschickt aber weiss nicht ob es ist angekommen. Probiere noch
einmal dass sie wissen wie es an Martin geht. Ein anderer Doctor dass
wir consultiert haben sagte uns dass Martin am Verhártung der Blut-
adern leidet und dass nichts zu thun ist, doch wir probierten allerlei
Medizin, aber umsonst, so wir geben ihm nichts jetzt. Der arme Mann
ist viel zu bedauern er sieht alles Unglück vor und nichts als Unglück
und brütet und klagt den ganzen langen Tag; dass Leben mit ihm ist
ein beinahe unertrágliches Kreuz. Er geht herum und brummelt den
ganzen Tag durch, aber thut doch nichts: ich bin beinahe krank selbst.
Ihr würdet ihn gar nicht kennen.»'*
Am 18. Jánner 1918 starb Martin Alber, nachdem er dreieinhalb
Jahre krank gewesen war. Der Nachruf auf ihn stellte seine Krankheit
in engen Zusammenhang mit den beruflichen Erwartungen, die sich
nicht erfüllt hatten.
«Martin Alber war von fleissiger aber zurückhaltender Natur, was
sein Vorwürtskommen verhinderte. Dadurch wurde er melancholisch,
zunehmend als das Alter ihm jede Hoffnung auf Besserstellung nahm
und nach dreieinhalb Jahren von Arterienverkalkung und einem Ner-
venzusammenbruch starb er, wenngleich die direkte Todesursache
Herzprobleme waren, die sich spát entwickelten.»
Der Traum vom «goldenen Westen», den seine Onkel in stattlichen
Karrieren hatten verwirklichen kónnen, wurde für ihn zum Alptraum,
an dem er zerbrach.
Erkümpfte Autonomie
Einflussgróssen
Wie bewáltigte Aline die neue Lebenssituation nach ihrer Ankunft in
Amerika ? Welche Einflussgróssen kennzeichneten ihre Lage innerhalb
der Familie?
Ihr machten die stets knappen Geldmittel ebenso wie Martin
schwer zu schaffen. Die Sorgen des tüglichen Existenzkampfes be-
stimmten das Familienleben gänzlich. Darüber hinaus waren die Mut-
terschaft und die Unterordnung gegenüber dem Mann zwei zusätzliche
und oft belastende Faktoren in Alines Leben.
Alber 51