musste alle Sachen verkaufen, die sie nicht mehr benötigte, und zog in
aine kleinere Wohnung.‘ Die Geldmittel blieben knapp. Zu Beginn des
Jahres 1891 hatte sie über mehrere Wochen hinweg keine Butter für
die Suppe, kein Fleisch und keinen Wein mehr.“
Die Kinder Marthe, Gustave und Aline versuchten, sie mit ihren
bescheidenen Mitteln zu unterstützen. Es half wenig, sie wollte ster-
zen.®
1892 zog sie mit Emile weg aus Vagney. Von diesem Zeitpunkt an
jegannen die Klagen gegen ihre «undankbaren Kinder». Die Tochter
Marthe konnte gegenüber Aline nur feststellen: «Du würdest sie nicht
wiedererkennen, sei es ihr Benehmen, ihr Charakter, einfach alles.»*
Die Mutter half bei Emile im Haushalt, der zusammen mit seiner Frau
in einer Fabrik arbeitete. Josefine beaufsichtigte die Kinder, wusch,
bügelte, putzte die Schuhe, flickte die Kleider, machte alles, was an:
fiel.® Das bot neue Orientierung.
Als nach dem Ableben von Marthes Mann finanzielle Zuwendungen
von dieser Seite ausblieben, forderte Josefine die Kinder gerichtlich
auf, ihr eine Leibrente zu zahlen. Sie sparte nicht mit harten Vorwür
fen. Dahinter stand die Angst vor dem Alleinsein. An Aline schrieb sie:
«Du bildest dir sicherlich ein, weil ich bei Emile bin, dass er alle
Kosten tragen soll, mich ernähren, mich kleiden, mich in allem unter-
halten. Nein, das ist unmöglich, habe ich doch andere Kinder, die mir
etwas zu Hilfe kommen können. Bei Emile tun sie für mich, was sie
können. Wenn ich krank bin, wer hat die Sorge, mich zu pflegen, wenn
nicht Emile? Marie war schon mehrmals gezwungen, zuhause zu blei-
ben. Wenn es mir dann wieder besser ging, kehrte sie zur Arbeit
zurück. Die Enkel blieben bei mir, damit ich nicht allein wäre. Ich
glaubte nicht, dass du auch so feig und undankbar gegenüber deiner
Mutter wärst. Du hast mich als Mutter verleugnet, das hast du getan
.. Du liessest mich wohl auf der Strasse krepieren, ohne mir ein Glas
frisches Wasser zu geben und mich wieder zum Leben zu bringen. Ihr
beide seid vom gleichen Schlag, du und Henri, zwei undankbare Feig-
linge, ihr könnt euch die Hand geben.»
Die Verzweiflung über das ausbleibende Geld wurde noch gestei-
gert durch die Krankheit, welche jeden Handgriff zur Qual werden
liess: «Ich kann nicht mehr spülen und abtrocknen. Ich habe zwei Fin-
ger an der linken Hand, die ich nicht mehr abbiegen kann. Ich leide
unter starkem Rheumatismus. Das stört mich beim Nähen und
Stricken. Wenn ich trotzdem stricke oder nähe, wenn ich dann zu
starke Schmerzen habe, warte ich ein bisschen, bis die stärksten
Schmerzen vorbei sind.»“
Die Armut im Alter verbitterte Josefine. Sie verschloss sich gegen:
iber ihren Kindern, ausser gegen ihren Ältesten, bei dem sie wohnte
3iographische Beiträge