Il. Die Auswanderungspolitik im 19. Jahrhundert
Der Übergang vom Absolutismus zur zunehmenden Liberalisierung
der politischen Ordnung in Liechtenstein widerspiegelt sich auch in
einer allmählichen Lockerung der Vorschriften über die Auswande-
rung. Wer zu Beginn des Jahrhunderts mitsamt seinem Vermögen aus-
wandern wollte, hatte eine Taxe von gewöhnlich zehn Prozent des Ver-
mögens und je nach dessen Höhe eine zusätzliche Manumissionsge-
bühr zu entrichten. Die Gemeinde beanspruchte überdies fünf Prozent
aus dem Erlös des verkauften Besitzes.“
Nach dem Beitritt zum Rheinbund im Jahr 1806 hob Fürst Johann I.
die Manumissionsgebühr auf und führte die Freizügigkeit gegenüber
jenen Bundesstaaten ein, die ihrerseits Gegenrecht hielten. Die als
«Erschwerung» der Auswanderung gedachte «Emigrationstaxe» wur-
de jedoch beibehalten und «auf drey von Hundert des ausser Land
gehenden Vermögens» festgesetzt.”
Das Auswanderungspatent von 1809
Im Sinn des Absolutismus betrachteten die Herrscher das Bevölke-
rungswachstum als Reichtum, die Auswanderung von Steuersubjekten
hingegen als Schädigung. Im Auswanderungspatent vom 15. März
18099 wurde Auswanderung deshalb grundsátzlich verboten. Wer
durch besondere Umstände eine Auswanderung in Betracht zog,
musste um Bewilligung beim Oberamt nachsuchen, «welches bey Indi-
viduen, die kein Vermögen im Lande besitzen, und bey Weibspersonen
die wenn sie gleich eigenes Vermögen besitzen, in die benachbarten
Länder sich verehelichten, über das Gesuch ohne weitere Anfrage zu
erkennen ... hat». In allen anderen Fällen hatte das Oberamt das
Gesuch an die Hofkanzlei in Wien weiterzureichen. Wurde die Aus-
wanderung bewilligt, so waren ein «Abfahrtsgeld» an die Gemeinde
«nach dem bestehenden Herkommen» (also fünf Prozent) sowie eine
dreiprozentige «Auswanderungstaxe» an die fürstliche Rentkassa zu
entrichten. Sie wurde auf zehn Prozent erhóht, wenn sich der Aus-
wanderer in ein Land begab, «aus welchem wegen dorten geringeren
óffentlichen Lasten notorischermassen Niemand in diesseitiges Land
auswandert» (8 4). Unbefugte Auswanderung wurde mit dem Verlust
der bürgerlichen Rechte sowie mit dem Einzug des Vermógens bestraft
(S 7), und jegliche Werbung zur Auswanderung war verboten. «Hin
ergriffener falscher Werber» wurde «ohne einigen Unterschied seiner
persónlichen Verhältnisse, und Gerichts-Verháltnisse ... mit 100
Stockschlágen, sodann 10-jühriger öffentlicher Arbeit» bestraft (S 12).
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