Die ersten Industriebe-
triebe etablierten sich in
Liechtenstein in der
zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts. Dieses Bild
aus einem Prospekt des
Alpenkurhauses Gaflei
zeigt am unteren
Bildrand die Spinnerei
Jenny, Spoerry & Cie. in
Vaduz.
um die Jahrhundertwende zählte die Belegschaft aller Fabriksbetriebe
etwas mehr als 500 Personen.
Im Zuge der industriellen Entwicklung kam es auch zu einem Auf-
schwung im Gewerbe: 1861 zählte man in Liechtenstein 200 Gewerbe-
betriebe, fünf Jahre später waren es bereits 333, und nachdem in den
achtziger Jahren die Stickerei und weitere neue Gewerbezweige Fuss
gefasst hatten, stieg ihre Zahl bis 1900 auf rund 550 an.
Auch die Landwirtschaft erholte sich dank staatlicher Förderung
langsam von den Folgen der wiederholten Rheinkatastrophen. Alles in
allem gesehen, kann die wirtschaftliche Situation am Ende des 19.
Jahrhunderts als gefestigt betrachtet werden.
Landständische Verfassung und politische Unruhen
Indes war das 19. Jahrhundert nicht nur durch wirtschaftliche Not,
sondern auch durch politische Umwälzungen geprägt. Liechtenstein,
1806 durch Napoleon souverän und 1815 Mitglied des Deutschen Bun-
des geworden, war in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts ein
absolutistischer Staat, dessen Fürst Johann I.* im fernen Wien resi-
dierte und sich in Liechtenstein durch einen Landvogt'? vertreten liess.
1818 erliess der Fürst, einer Verpflichtung aus der Mitgliedschaft im
Deutschen Bund folgend, eine landstándische Verfassung. Neue Rechte
für das Volk brachte sie freilich nicht, die Untertanen blieben ein
Objekt des obrigkeitlichen Willens. Die gesamte Staatsgewalt lag beim
Fürsten, der das Land über das Oberamt in Vaduz regierte, wo neben
14 Auswanderung im 19. Jahrhundert