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Bis heute kennen wir 1’150 Fälle von Einzelpersonen, Ehepaaren oder
ganzen Familien, die nach Amerika ausgewandert sind. Hinter diesen
1’150 Fällen verbergen sich rund 1’600 Menschen. Für die meisten
von ihnen haben bittere Not, Armut und Hunger sowie die Hoffnung
auf ein besseres Leben den Ausschlag gegeben, ihre alte Heimat Liech-
;jenstein zu verlassen.
Wie es ihnen in der neuen Heimat erging, schildert dieses Buch —
Erfolge und Misserfolge sind belegt, Lebensschicksale konnten aus
Briefen, Büchern, Zeitungsausschnitten und Aufzeichnungen der
Nachfahren rekonstruiert werden. Von vielen andern aber, die auszo-
gen, um in Amerika ihr Glück zu suchen, hat man in Liechtenstein nie
mehr oder erst dann wieder etwas gehört, wenn die hiergebliebenen
Verwandten die gerichtliche Todeserklärung einleiten liessen. Was
mögen all jene erfahren haben, die den Kontakt zur Heimat abgebro-
chen haben, vielleicht, weil ihre Scham das Eingeständnis nicht
zuliess, in Amerika Schiffbruch erlitten zu haben, statt in Glück und
Wohlstand wiederum in Kummer und Armut zu leben?
Heute ist Liechtenstein längst zum Einwanderungsland geworden.
Was früher die Liechtensteiner nach Amerika lockte — eine blühende
Wirtschaft, gute Verdienstmöglichkeiten und die Hoffnung auf ein bes-
seres Leben —-, sind auch die Magnete, die Arbeitskräfte aus aller Her-
ren Länder nach Liechtenstein gezogen haben. Hierzulande beobach-
tet man diese Entwicklung schon seit Jahren mit Sorge und versucht,
die Einwanderung durch staatliche Beschränkungen in Grenzen zu
halten. Immer wieder ist — vor allem in jüngster Zeit und mit überheb-
lichem Unterton .— von «Wirtschaftsflüchtlingen» die Rede, die uns
ınseren Wohlstand streitig machen wollen.
Wir sollten dabei nie vergessen, dass die Liechtensteinerinnen und
Liechtensteiner, die nach Amerika ausgewandert sind, bis in die Mitte
unseres Jahrhunderts fast ausnahmslos ebenfalls «Wirtschaftsflücht-
linge» waren.
Seither haben sich die Beweggründe für eine Auswanderung geän-
dert. Heute stehen Horizonterweiterung, berufliche Entwicklung und
mitunter ein Schuss Abenteuerlust im Vordergrund. Wer heute nach
Amerika zieht, betrachtet sich auch nicht mehr als Auswanderer im
klassischen Sinn, sondern sieht die Zeit im Ausland eher als interes-
santen, aber zeitlich begrenzten Lebensabschnitt, der sich jederzeit
freiwillig beenden lässt.
ADLER
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