XIl. Die Auswanderung nach Südamerika
Im Frühjahr 1857 ersuchte Johann Georg Frommelt aus Vaduz um die
Bewilligung, eine Agentur für Auswanderer nach Südbrasilien grün-
den zu dürfen. Das Regierungsamt aber gab ihm abschlägigen Be-
scheid, weil «weder ein Anerbieten für derlei Reisende noch die Ver-
'ragsbedingnisse über die Spedierung vorgelegt, noch eine Caution für
richtige Einhaltung der eingegangenen oder einzugehenden Verbind-
lichkeiten angetragen wurde».??
Selbst wenn Landesverweser . Menzinger seine Einwilligung zur
Gründung dieser Agentur gegeben hätte, Frommelt wäre damit nicht
reich geworden. Südamerika stiess bei den Auswanderungswilligen in
Liechtenstein nämlich auf wenig Interesse, die Auswanderung des 19.
Jahrhunderts konzentrierte sich praktisch ausschliesslich auf die Ver-
ainigten Staaten, und auch im 20. Jahrhundert blieb die Auswande-
rung in südamerikanische Länder marginal.®?”
Zwar hätte es an verheissungsvollen Angeboten nicht gefehlt. So
hiess es 1884 in einem Zeitungsinserat: «Die Regierung von Chile
(Südamerika) leistet Vorschuß für die Reise vom Einschiffungshafen
Bordeaux bis nach Chile und bietet dem Einwanderer außerordentlich
günstige Ansiedlungskonditionen (Landschenkungen ec.).»*® In ande-
ren Inseraten versprach die Auswanderungsagentur Rommel in Basel:
«Handwerker und Landwirte (besonders Familien) erhalten bedeutend
reduzierte Passage», falls sie sich für eine Auswanderung nach Chile
entschliessen könnten.*” Doch all diese Versprechen blieben anschei-
nend wirkungslos.
Von den Südamerika-Auswanderern des 20. Jahrhunderts übersie-
delte rund die Hälfte aller Emigranten in der Zwischenkriegszeit in
ihre neue Heimat. Sie scheinen es schwer gehabt zu haben, Fuss zu
fassen, sich ans Klima, die Sprache und die Arbeitsbedingungen zu
gewöhnen. Dies äussert sich in der hohen Rückwanderungsquote:
Jeder Zweite kehrte entweder nach Liechtenstein zurück oder reiste in
die Vereinigten Staaten weiter; so Franz Xaver Beck, Arthur Wolfinger
und Gerhard Barbier.4®®
Als Missionare nach Südamerika
Die frühesten Auswanderer nach Südamerika sind Josef Adalbert
Heeb aus Schaan und Raimund Bühler aus Triesenberg. Beide waren
Mitglieder der Gesellschaft Jesu, Heeb als Priester, Bühler als Laien-
bruder. Sie verliessen Liechtenstein im Jahr 1894 und begaben sich im
Auftrag der Jesuiten nach Südbrasilien, einem von deutschen Siedlern
bevorzugten Gebiet.
EP
Die Auswanderung nach Kanada und Südamerika